Vier Pestizidhersteller, darunter der ehemalige Basler Agrar-Chemiekonzern Syngenta sowie Bayer, haben jahrelang wissenschaftliche Studien zurückgehalten – trotz Offenlegungspflicht. Das zeigen Recherchen eines Recherchekollektivs unter Beteiligung von «SRF Investigativ». Die Studien sind teilweise bereits mehr als 15 Jahre alt. Dennoch werden die Ergebnisse erst jetzt bekannt.
Pestizide wie Abamectin sind oft sehr giftig, dennoch sind sie seit Jahrzehnten sowohl in der Schweiz als auch in der EU zugelassen – möglicherweise zu Unrecht?
Studien von 2005 und 2007
Abamectin – unter Bauern bekannt als «Vertimec Gold» – ist hochgiftig und darf nur in Notfällen eingesetzt werden. Erst vor Kurzem hat die EU die Verwendungszwecke weiter eingeschränkt. Grund: Bei Tests an Ratten entwickeln sich deren Sexualorgane langsamer.
Doch diese Erkenntnisse sind nicht neu. Syngenta wusste bereits vor über 15 Jahren davon, schreibt SRF. Die Studien datieren nämlich aus den Jahren 2005 und 2007, wurden aber nicht offiziell eingereicht.
Bei Pestiziden wie Abamectin werden sogenannte DNT-Studien durchgeführt. Dabei werden die giftigen Pflanzenschutzmittel an Nagetieren getestet, um mögliche Auswirkungen auf den menschlichen Organismus zu erforschen. Solche Studien sind extrem aufwendig und ebenso teuer.
Ein Viertel der DNT-Studien wird nicht eingereicht
Eigentlich müssen solche Ergebnisse den Behörden mitgeteilt werden. Doch das geschah in Europa in einem Viertel der Fälle nicht. Davon ist auch die Schweiz betroffen, die sich an der EU-Zulassungsstelle orientiert. Insgesamt wurden die DNT-Studien bei neun Wirkstoffen nicht eingereicht. Bei sieben davon zeigten die Ergebnisse unerwünschte Nebenwirkungen. «Das kann uns als Konsumenten in Gefahr bringen», sagt Cristina Rudén, Professorin für Umwelttoxikologie in Stockholm, Schweden.
Besonders erschreckend: Mit Syngenta, Bayer und den japanischen Firmen IKS und Nissan Chemical Corporation sind die grössten Hersteller der Branche in die Sache verwickelt.
Die neuen Erkenntnisse lassen den Verdacht aufkommen, dass die Pestizidhersteller lediglich Studien einreichen, die zu einem für sie positiven Ergebnis kommen – eine höchst fragliche Praxis. Wenn ein Konzern eine Studie anfertigt, muss diese auch eingereicht werden. «Insbesondere, wenn diese potenziell schädliche Auswirkungen zeigten», sagt Jurist Björnstjern Baade von der Freien Universität Berlin.
Syngenta und Co. streiten alles ab
Bei den Herstellern ist man sich keiner Schuld bewusst: «Es gibt keine nicht eingereichten DNT-Studien von Syngenta in der EU oder der Schweiz», sagt Syngenta zu SRF. Man hätte die Studien nur für die Zulassung auf dem amerikanischen Markt durchgeführt. In der EU habe man sie aufgrund von Verschärfungen der Gesetze später nachgereicht.
Bayer schreibt auf Anfrage: «Wir haben zu jeder Zeit die nötigen Studien eingereicht, die nach den damaligen Regularien gefordert waren.» Die nicht eingereichten Studien hätten die Risikobewertung der Behörden nicht beeinflusst.
* In einer früheren Version dieses Artikels lautete der Titel «Pestizidhersteller verheimlichten brisante Studienergebnisse jahrelang». Die Darstellung als Tatsache ist jedoch umstritten. Die Redaktion hat den Titel deshalb angepasst.