Die Dominikanische Republik, die Philippinen und Thailand sind Rentner-Paradiese. Sonne, Strand, leckeres Essen und tiefe Lebenshaltungskosten locken auch viele Schweizer AHV-Rentner an. Und dann wären da noch die Kinderrenten: Wer vor Ort eine Einheimische oder einen Einheimischen mit minderjährigen Kindern heiratet, kann seinem Lebensstandard noch mal einen gehörigen Schub verleihen.
L.P. (67) wohnt in Asien und möchte in diesem Zusammenhang nicht namentlich genannt sein. Gegenüber Blick nennt er die Kinderrente «ein Geschäftsmodell». Ihm sei kein anderes Land bekannt, das solche Renten für nicht-leibliche oder nicht adoptierte Kinder zahlt.
Massive Zunahme im Thailand
Ein Blick auf die Zahlen erhärtet den Vorwurf: Vor rund 20 Jahren flossen gut 250'000 Franken «Kinderzulagen an Rentner» aus der Schweiz nach Thailand. Inzwischen sind es rund 4,5 Millionen. Damit folgt das Land direkt auf Frankreich oder Deutschland, wo viel mehr AHV-Rentner leben. In Thailand werden Schweizer Kinderrenten sechsmal häufiger bezogen als hierzulande. In der Dominikanischen Republik gar zehnmal so oft. In mehr als 90 Prozent der Fälle sind es Männer, was auch damit zusammenhängt, dass sie noch im hohen Alter Vater werden können.
Die Kinderrente beläuft sich auf 490 bis 980 Franken pro Monat – pro minderjähriges Kind. Der Maximalbetrag entspricht in Thailand rund dem Dreifachen des Mindestlohns. Rentner mit einem Schweizer Pass sind bei jungen, alleinstehenden Müttern entsprechend begehrt. Bei einer Heirat können sich beide dank der Kinder ein angenehmes Leben finanzieren.
Jede fünfte Kinderrente fliesst ins Ausland
Für P. haben diese geldgetriebenen Hochzeiten einen faden Beigeschmack. Das würden auch viele andere Schweizer in Asien so sehen. «Es würde wohl mehrheitlich begrüsst, wenn dem Geschäftsmodell der angeheirateten Kinder die Grundlage entzogen wird», sagt er.
Der SVP sind die Kinderrenten im Ausland seit Jahren ein Dorn im Auge. SVP-Nationalrat Erich Hess (42) lancierte 2020 eine parlamentarische Initiative mit dem Ziel, Kinderrenten nur noch für Kinder mit Wohnsitz in der Schweiz auszahlen zu lassen. Hess fand jedoch keine Mehrheit unter den Parlamentariern.
Die behandelnde Kommission kam zum Schluss, dass es zwar Missbrauch gebe, die Zahl jedoch so gering sei, dass Neuverhandlungen der Sozialversicherungsabkommen «unverhältnismässig» seien. Um etwas an der Praxis zu ändern, müsste die Schweiz die Sozialversicherungsabkommen mit anderen Ländern neu aushandeln. Diese halten fest, dass Rentner in Vertragsländern die gleichen Sozialleistungen wie in der Schweiz erhalten müssen.
Mehr zum Thema Kinderrenten
Kommission will keine neuen Kinderrenten mehr
Mittlerweile hat die zuständige Nationalratskommission ihre Meinung geändert. Die Kinderrenten haben sich in den letzten 20 Jahren immerhin verdreifacht – auf jährlich rund 230 Millionen Franken. Etwa 46 Millionen davon gehen ins Ausland. Die Kommission hat deshalb Ende Januar eine Motion beschlossen, mit der künftig keine neuen Kinderrenten mehr geben soll. Nun geht der Vorstoss in den Nationalrat.
Das Parlament will sparen. Und bei den Kinderrenten scheint das Argument, das die Gegner der 13. AHV-Rente ins Feld führen, berechtigt: Nach dem «Giesskannenprinzip» profitieren alle Rentnerinnen und Rentner, ganz unabhängig von ihrer finanziellen Situation. Doch weshalb sollten gut situierte Pensionierte für ihre Kinder deutlich mehr Geld erhalten, als Familien über die Kinderzulagen zusteht? In finanziell engen Fällen sollen gemäss Motionstext künftig höhere Ergänzungsleistungen für Eltern mit Unterhaltspflichtigen zum Zug kommen.