«Die Belastungen waren enorm, ich habe oft geweint»
1:36
Rhea K. wurde ausgebeutet:«Die Belastungen waren enorm, ich habe oft geweint»

Ausgebeutete Angestellte
Warum Schweizer Billig-Nagelstudios machen können, was sie wollen

Perfekte Nägel zum Spottpreis – das versprechen Billig-Nagelstudios. Oft geht das mit massiver Ausbeutung der Angestellten einher. Doch Kundinnen können mit einem aufmerksamen Blick erkennen, ob ein Studio seriös ist.
Publiziert: 07.01.2025 um 10:36 Uhr
|
Aktualisiert: 07.01.2025 um 11:19 Uhr
1/5
Eine Maniküre oder Gelnägel zum Spottpreis: Billig-Nagelstudios boomen in der Schweiz.
Foto: Keystone

Auf einen Blick

  • Nageldesign: Kein geschützter Beruf, schwach regulierte Branche
  • Verschiedene Warnsignale geben Hinweise auf die Seriosität eines Studios: Gehetzt wirkende Angestellte, Kameras und ständige Überwachung
  • Berufsverband mit wenig Einfluss
  • Gewerkschaften seien die Hände gebunden
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Nathalie_Benn_Praktikantin Wirtschaft _Blick_2-Bearbeitet.jpg
Nathalie BennRedaktorin Wirtschaft

«Ich habe jeden Tag irgendeine Form von Ausbeutung erlebt», sagt Rhea K.* (22). Die junge Frau erlebte als Angestellte die Hölle in Schweizer Billig-Nagelstudios. Das Problem: Nageldesign ist kein geschützter Beruf. Eine spezielle Bewilligung, um ein Nagelstudio zu führen, braucht es nicht. Mitarbeitende brauchen keine spezielle Ausbildung oder Deutschkenntnisse, um in einem Studio arbeiten zu können. Besonders in Billig-Studios kommt es deshalb besonders häufig zur Ausbeutung der Angestellten.

Aber: «Als Kunde kann man auf einen Blick in das Geschäft viel über den Professionalisierungsgrad eines Nagelstudios in Erfahrung bringen», sagt Iris Kuchler (38), Präsidentin des Berufsverbands Swiss Nail Design.

Woran erkennt man unseriöse Billig-Nagelstudios?

Ein Warnsignal, auf das man achten sollte, seien gehetzt wirkende Angestellte sowie Kameras im Studio. Denn Überwachung ist in diesen Studios an der Tagesordnung. So sei auch das Verhalten der Vorgesetzten ein starkes Indiz. «Wenn die Führungsperson immer im Raum ist und über die Mitarbeitenden ‹wacht›, ist das auch verdächtig», weiss Kuchler.

Bei regelmässigen Besuchen könne man zudem feststellen, ob immer dieselben Mitarbeitenden vor Ort sind, oder es in kurzen Abständen zu Wechsel bei den Angestellten kommt: Häufige Personalwechsel sind kein gutes Zeichen. «Man soll darauf achten, ob die Mitarbeitenden richtigen Arbeitsschutz haben», sagt Kuchler weiter. Ist eine Staubabsaugung auf den Behandlungstischen vorhanden? Tragen die Angestellten aufgrund der Chemikalien Maske und Handschuhe? 

Berufsverband ohne Durchsetzungskraft

Alexander Ott (61), Chef der Berner Fremdenpolizei, führt mit seinem Team regelmässige Kontrollen in Nagelstudios durch. Die kaum regulierte Branche brauche zur Bekämpfung der Ausbeutung einen funktionierenden Verband aus seriösen Studios, die sich für einen gesetzlich festgelegten Gesamtarbeitsvertrag einsetzen, fordert er. Nur so können konkrete Qualitätsstandards ausgearbeitet werden. 

In Kuchlers Verband sind aber lediglich rund 50 Studios vertreten, die meisten von ihnen sind selbstständig erwerbend. Zum Vergleich: Coiffure Suisse, der Berufsverband der Schweizer Coiffeure, zählt 16'489 Coiffeursalons als Mitglieder. Für Kuchler ist es schwierig, Studios für die Interessen des Verbands zu rekrutieren. Darum sei auch die Realisierung eines Gesamtarbeitsvertrags (GAV) für die Branche schwer. 

Auch der Gewerkschaft Unia seien die Hände gebunden, da die Branche über keinen GAV verfüge. Man könne höchstens die Kantone über politischen Druck dazu bringen, einen Normalarbeitsvertrag für die Branche zu erlassen. Dieser sei dann aber nicht unbedingt bindend. Trotzdem setze sich die Unia «für Regulierungen und Verbesserungen auf verschiedenen Ebenen ein», wie das Zentralsekretariat auf Anfrage mitteilt. Beispielsweise durch die Sensibilisierung und Ausbildung ihrer Mitarbeitenden und Mitglieder, dass Menschenhandel nicht nur zwecks sexueller Ausbeutung stattfindet, sondern auch in Betrieben wie Nagelstudios. 

* Name geändert 


Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.