Hilfe der Caritas so gefragt wie noch nie
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Teuerung und Ukraine-Krieg:Hilfe der Caritas so gefragt wie noch nie

Armando De Sousa (53) versucht im Caritas-Brocki den Wiedereinstieg ins Arbeitsleben
«Zu Hause herumsitzen – da kommen nur die Depressionen»

Die Caritas Luzern will Menschen mittels Arbeitsintegration wieder in den ersten Arbeitsmarkt eingliedern. Einer von ihnen ist Armando De Sousa Barros. Blick hat ihn einen Tag lang begleitet.
Publiziert: 24.04.2023 um 00:12 Uhr
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Aktualisiert: 24.04.2023 um 09:06 Uhr
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«Hier im Caritas-Brocki in Luzern ist der ideale Platz für mich», sagt Armando De Sousa Barros.
Foto: Philippe Rossier

Es klingelt schrill bei der Anlieferung. Jemand ist mit dem Auto voller gebrauchter Waren vorgefahren. Armando De Sousa Barros (53) begrüsst den Spender herzlich und hilft, das Fahrzeug auszuladen. Alles Mögliche befindet sich darunter, auch gebrauchte Markenlautsprecher von Logitech. «Die kommen bei den Kunden sicher gut an», weiss De Sousa. Er arbeitet seit zwei Jahren im Brocki Caritas Wohnen in der Stadt Luzern.

De Sousa ist im Rahmen eines Arbeitsintegrationsprogramms bei der Caritas Luzern angestellt, vermittelt vom Sozialamt. «Ich brauche eine Tagesstruktur. Gemeinsam mit meinem Psychologen haben wir entschieden, dass hier der ideale Platz für mich ist», erklärt er Blick.

Sein grosses Ziel: Irgendwann wieder fit für den ersten Arbeitsmarkt zu sein. «Dort muss man richtig Gas geben, das kann ich noch nicht», sagt De Sousa. Momentan falle er ein- bis zweimal pro Monat aus.

Wie die Arbeitsintegration läuft

Wer für den ersten Arbeitsmarkt nicht fit ist, dem können Arbeitsintegrationsprogramme den Wiedereintritt erleichtern. Es gibt unterschiedliche Massnahmen auf ganz verschiedenen Ebenen: Die Sozialversicherung wählt in Absprache jeweils aus, welches Programm für den betroffenen Menschen am besten passt. Involviert sind auch das RAV, die Invalidenversicherung (IV), die Sozial- sowie die Asylsozialhilfe. An solchen Programmen nehmen also Arbeitslose, IV- oder Sozialhilfebezüger sowie Flüchtlinge teil.

Falls der Wiedereintritt in den ersten Arbeitsmarkt nicht möglich ist, liegt der Fokus auf der sozialen Integration.

Über 400 Organisationen sind Mitglied beim Fachverband Arbeitsintegration Schweiz und seinen Regionalvertretungen. Neben Caritas Luzern zählen auch die Migros Klubschule sowie das Schweizerische Rote Kreuz dazu. Rund ein Drittel der Verbandsmitglieder bieten durch interne Integrationseinrichtungen niederschwellige Arbeiten an.

Laut des Fachverbands wird der Mehrwert seiner Arbeit für die Schweizer Wirtschaft noch immer unterschätzt. Gäbe es solche Programme hierzulande nicht, würde es deutlich mehr Arbeitslose geben, heisst es bei Arbeitsintegration Schweiz. Milena Kälin

Wer für den ersten Arbeitsmarkt nicht fit ist, dem können Arbeitsintegrationsprogramme den Wiedereintritt erleichtern. Es gibt unterschiedliche Massnahmen auf ganz verschiedenen Ebenen: Die Sozialversicherung wählt in Absprache jeweils aus, welches Programm für den betroffenen Menschen am besten passt. Involviert sind auch das RAV, die Invalidenversicherung (IV), die Sozial- sowie die Asylsozialhilfe. An solchen Programmen nehmen also Arbeitslose, IV- oder Sozialhilfebezüger sowie Flüchtlinge teil.

Falls der Wiedereintritt in den ersten Arbeitsmarkt nicht möglich ist, liegt der Fokus auf der sozialen Integration.

Über 400 Organisationen sind Mitglied beim Fachverband Arbeitsintegration Schweiz und seinen Regionalvertretungen. Neben Caritas Luzern zählen auch die Migros Klubschule sowie das Schweizerische Rote Kreuz dazu. Rund ein Drittel der Verbandsmitglieder bieten durch interne Integrationseinrichtungen niederschwellige Arbeiten an.

Laut des Fachverbands wird der Mehrwert seiner Arbeit für die Schweizer Wirtschaft noch immer unterschätzt. Gäbe es solche Programme hierzulande nicht, würde es deutlich mehr Arbeitslose geben, heisst es bei Arbeitsintegration Schweiz. Milena Kälin

Scheidung und Depression

Vor fünf Jahren hat De Sousa seinen Job als Chauffeur verloren. 18 Jahre lang war er mit dem Lastwagen in der ganzen Schweiz unterwegs. Dann kam es zur Scheidung von seiner Frau. Die Folge waren Depressionen, er musste stationär in Therapie.

De Sousa ist deshalb sehr dankbar, dass er im Brocki arbeiten darf, wie er immer wieder zu verstehen gibt. «Den ganzen Tag zu Hause sitzen und nichts machen, ist keine Lösung. Dann kommen die Depressionen», so De Sousa.

Mittlerweile führt er wieder ein geregeltes Leben. Er arbeitet 70 Prozent im Brocki, daneben ist er nach wie vor in psychologischer Betreuung. Seine vier Kinder im Alter von 12 bis 21 Jahren wohnen bei seiner Ex-Frau, besuchen ihn aber am Wochenende. Mit ihnen ist De Sousa gern draussen unterwegs, erzählt er.

Auch im Brocki schätzt er den Kontakt mit Menschen. «Ich spreche gern mit den Kundinnen und Kunden. Zudem bin ich immer in Bewegung», sagt De Sousa. Dass ihm seine Arbeit Freude bereitet, sieht man dem gebürtigen Portugiesen an.

Kleidung, Elektrogeräte und vieles mehr

Nachdem De Sousa die Waren ausgeladen hat, muss er sie sortieren. Er packt alle Kleider in einen Sack, die Elektronikgeräte in eine Kiste und sonstige Spenden noch mal in eine andere. Vor der Anlieferung steht auch ein Sammelcontainer, wo die Leute ihre Spenden einwerfen können. Zudem bietet Caritas Luzern Räumungen an.

Nachdem er die Waren sortiert hat, kommen sie ins Lager im Luzerner Stadtteil Littau. «Dort ist unser Hauptstandort. Die Waren werden kontrolliert, die Kleider gewaschen. Danach kommt ein Teil zurück, den wir dann hier im Laden verkaufen», erklärt Lukas Aebersold (30). Der Leiter Ressort Dienstleistungen im Brocki und Arbeitspädagoge fördert die Entwicklung seiner Klientinnen und Klienten über die Arbeit, so auch Mitarbeiter De Sousa.

Das Team bei Caritas Wohnen sieht fast jede Woche anders aus, denn es werden vor allem Leute vom RAV vermittelt, die jeweils vier Monate bleiben. «Bei uns gibt es viele Wechsel. Herr De Sousa ist deshalb ein wertvolles Mitglied. Er weiss, wie es läuft», sagt Aebersold. De Sousa zeige den Neuen die Aufgaben und übernehme so Verantwortung.

Ungewollte Spenden

Über Mittag ist das Brocki geschlossen. Die Angestellten machen gemeinsam Pause, essen und spassen miteinander. Als um halb zwei die Türen wieder öffnen, liegt ein Haufen Kartonschachteln mit allerlei Gerümpel vor der Tür. «Die Leute stellen ihre Sachen einfach so ab. Das macht man eigentlich nicht», sagt De Sousa mit einem Augenzwinkern – und packt an.

Das Brocki kann nicht alles weiterverkaufen – und Waren zu entsorgen, kostet bekanntlich Geld. Bei der Entgegennahme geht De Sousa die Waren deshalb mit den Spendern durch. Und lehnt auch mal etwas ab. «Viele verstehen nicht, dass wir ein ganz normales Brocki sind. Sie denken, für arme Menschen ist das schon noch zu gebrauchen», sagt Aebersold.

Die Türen des Brockis stehen allen offen. Möbel, Geschirr, Stoff, Kleider und vieles mehr gibt es deshalb auch zu ganz unterschiedlichen Preisen. Menschen mit einer Caritas-Markt-Karte haben im Brocki zusätzlich 30 Prozent Rabatt.

Aktuell fallen Blick ungewöhnlich viele Brautkleider auf. «Diese wurden uns in grossen Mengen von einem Brautmodengeschäft gespendet», erklärt Aebersold. Caritas Luzern kauft auch Restbestände zu tiefen Preisen auf.

Manchmal macht De Sousa auch Fahrten mit dem Auto. «Dann verteile ich die interne Post zwischen den verschiedenen Standorten von Caritas Luzern», sagt De Sousa. Das Brocki ist so etwas wie der interne Kurierdienst der Hilfsorganisation.

Abends um halb sechs hat er dann Feierabend. «Ich fühle mich sehr wohl hier. Den ganzen Tag gibt es etwas zu tun.» Denn was De Sousa vor allem braucht, ist eine Tagesstruktur. Und die findet er hier in der Arbeitsintegration der Caritas.

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