Trotz der Teuerung
Die Schweiz ist noch nicht spendenmüde

Nach zwei Jahren Pandemie und der Teuerung sinken die verfügbaren Mittel bei vielen Schweizern. Trotzdem wurden bei den Spenden für wohltätige Zwecke 2022 neue Spitzenwerte erzielt. Allerdings nimmt die Anzahl der Spender ab.
Publiziert: 08.01.2023 um 12:09 Uhr
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Aktualisiert: 08.01.2023 um 17:07 Uhr
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80 Prozent der Schweizer Haushalte spenden mindestens einmal pro Jahr, durchschnittlich beträgt die Spendensumme 360 Franken.
Foto: SRK, Ruben Ung
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Eine für Schweizer Verhältnisse massive Teuerung ist auf zwei schwierige Pandemiejahre gefolgt. Viele Schweizer überlegen sich, wo sie sparen können. In solchen Situationen sind sich viele selbst am nächsten.

Doch siehe da: Die Schweizer haben 2022 mehr denn je gespendet. «Das Schweizerische Rote Kreuz hat 2022 so viele Spenden erhalten wie noch nie», frohlockt Sprecherin Katharina Schindler. Das Spendenvolumen habe insgesamt rund 77 Millionen Franken betragen, wovon 41 Millionen von privaten Personen gespendet wurden.

Ähnlich klingt es bei Caritas Schweiz. Sprecherin Livia Leykauf sagt, die Organisation habe in keinem Jahr zuvor so grosse Unterstützung erhalten: Über 44 Millionen Franken kamen herein. «Die Solidarität der Schweizerinnen und Schweizer mit Menschen in Not war überwältigend», so Leykauf – besonders im Wissen, dass es ein Jahr der Unsicherheiten und Sorgen war, weltweit und in der Schweiz.

Viel Solidarität mit der Ukraine

Am meisten gespendet wurde klar für die Ukraine. Laut Spendenstatistik 2022 der Stiftung Zewo kamen allein in den ersten Monaten nach Ausbruch des Kriegs 285 Millionen Franken zusammen. Fast so viel wie 2005 bei der Tsunami-Katastrophe in Asien.

Üblicherweise liegt die Spendenbereitschaft zeitlich nahe am Ereignis. Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) verzeichne aber auch jetzt noch im Winter viele Spenden für die Ukraine. «Das ausserordentlich positive Jahresergebnis ist eindeutig auf die Ukraine-Krise zurückzuführen», sagt SRK-Schindler. Gegen Ende Jahr waren die Spendeneinnahmen bei anderen Themen dagegen leicht tiefer als im Vorjahr. «Wir haben bereits in früheren Jahren die Erfahrung gemacht, dass nach einem grossen Katastrophenereignis, bei dem sehr viel gespendet wurde, für eine kurze Zeit eine gewisse Spendenmüdigkeit zu beobachten ist», schliesst Schindler.

Die Caritas hält derweil fest, dass weiterhin ungebrochen für Projekte gespendet wurde, die weniger mediale Aufmerksamkeit erhielten: der Kampf gegen die Hungersnot in Afrika, Projekte für Klimagerechtigkeit, Hilfe für Syrien und auch die Armutsbekämpfung in der Schweiz. Hinsichtlich Letzterem erklärt Daniel Römer (60) von der Winterhilfe Zürich, dass die im Herbst lancierte Kampagne bislang gleich hohe Spendenerträge wie in den Vorjahren eingebracht habe. Von einer wirtschaftlich bedingten «Spendenmüdigkeit» ist noch nichts zu spüren.

Mehr Grossspender als früher

Ob die aktuell schwierigere wirtschaftliche Lage die Spendeneinnahmen unter Druck setzt, wollen die Organisationen in den nächsten Monaten genau beobachten.

Nicht überrascht von einer anhaltend hohen Spendenfreude wäre Georg von Schnurbein (45), Leiter des Center for Philanthropy Studies (CEPS) der Universität Basel. «Private Spenden sind weitgehend konjunkturunabhängig», hält er fest. Aus Untersuchungen nach der Subprimekrise in den USA wisse man, dass die Spendenbereitschaft in Krisenzeiten sogar noch steigt. Daher werde die generelle Unsicherheit kaum Auswirkungen auf die Spendenbereitschaft haben. Er geht aber davon aus, dass es wieder eine Verschiebung des Spendenzwecks weg von der Ukraine hin zu «normalen» Themen wie Kinder, Behinderung oder Klimaschutz gibt.

Das heisst nicht, dass alles rosa ist: Laut von Schnurbein nimmt der Anteil der Spendenden in der Gesellschaft ab. Dafür geben die verbliebenen Spendenden mehr, weshalb die Gesamtsumme konstant bleibt. «In den letzten Jahren haben wegen der abnehmenden Spenderzahl die Hilfswerke in Grossspender- und Stiftungs-Fundraising investiert, weshalb von diesen Quellen nun auch grössere Beiträge kommen.» Trotz der grösseren durchschnittlichen Beträge dürfe man sich hier nicht täuschen lassen: «Über 80 Prozent der Stiftungen haben ein Kapital von unter 5 Millionen Franken, weshalb sich die Ausschüttungen pro Jahr im niedrigen fünfstelligen Bereich bewegen.»

Bei den privaten Spenden kommt der Grossteil also weiterhin von Herr und Frau Schweizer. Und diese zeigen Solidarität: Laut der Zewo spendeten zuletzt 80 Prozent der Schweizer Haushalte Geld; jeder zweite Haushalt spendete über 360 Franken pro Jahr.

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