Worauf kann man am ehesten verzichten, wenn das verfügbare Geld knapper wird? Mit dieser Frage setzen sich immer mehr Schweizer Haushalte auseinander. Dies belegt eine Umfrage der Bank Cler, die Blick vorliegt. «Inflation ist nicht nur eine theoretische Kennzahl – die Menschen spüren sie täglich», erklärt Samuel Meyer (41), CEO der Bank Cler, «und sie haben begonnen, sich mit Ausgabenverzicht darauf einzustellen.»
58 Prozent aller 506 befragten Personen zwischen 18 und 74 Jahren geben an, sich bei den Ausgaben generell zurückhalten zu wollen. Selbst Personen, bei denen das Haushaltsbudget nicht belastet wird, drosseln ihren Konsum.
Worauf wird verzichtet?
Verzichtet wird primär auf grössere Anschaffungen. 43 Prozent der Befragten tun dies bereits oder planen dies zu tun. Sie schieben den Kauf des neuen Kühlschranks, des neuen Rennvelos oder anderer grösserer Ausgabenposten auf die lange Bank. Oder geben weniger Geld aus. Sprich: Etwas weniger Teures wird gekauft.
Weiteres Einsparpotenzial sehen die Schweizerinnen und Schweizer in der Freizeit und bei Reisen: Ein Drittel will die Freizeitaktivitäten einschränken oder zumindest Geld sparen beim Ausüben dieser Freizeitaktivitäten. Also mal ein Skiweekend auslassen. Oder den Familienausflug in den Zoo.
Auch die Reisebranche muss sich auf was gefasst machen: 30 Prozent der Befragten verzichten bis auf weiteres auf Ferien. 21 Prozent wollen ihre Ausgaben für die Reise oder aber während den Ferien reduzieren. Mallorca statt Malediven, Mittelland statt Mittelmeer.
Betroffen sind aber nicht nur Tätigkeiten, die man gemeinhin als Luxus bezeichnen könnte. Auch beim täglichen Bedarf wird gespart. 33 Prozent der Befragten tun dies bereits. Pikant: 13 Prozent kaufen wieder vermehrt im Ausland ein, um Kosten zu sparen.
Schweizer sparen auch weniger: Fast ein Drittel legt aktuell weniger Geld auf die Seite.
Cler-CEO Samuel Meyer ergänzt: «In meinem Umfeld höre ich, dass weniger geheizt wird. Einerseits, um Kosten zu sparen. Aber auch, um einen Beitrag zur möglichen Strommangellage zu leisten.»
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Die Sorge geht um
Die Sorgen über anhaltende Inflation und deren Folgen sind bei drei Vierteln aller Befragten hoch oder sehr hoch. Dies, obwohl die Inflationsrate in der Schweiz mit bis zu 3 Prozent vergleichsweise tief ausfällt.
Das ändert nichts an der Tatsache, dass mehr als die Hälfte aller Befragten angibt, dass die Teuerung das Haushaltsbudget ziemlich oder gar sehr belastet. 34 Prozent nehmen die Teuerung «zumindest teilweise» wahr.
Überdurchschnittlich belastet sind Haushalte mit einem Bruttoeinkommen bis zu 6000 Franken. Aber auch höhere Einkommensschichten sorgen sich, dass die Teuerung hoch bleibt oder noch zunimmt. Erst ab einem Einkommen von über 10'000 Franken nimmt der Anteil der besorgten Befragten ab.
Damit erklärt sich, dass jetzt schon weniger ausgegeben wird. Nur 11 Prozent der Befragten geben an, dass sie ihr Verhalten nicht angepasst haben. Aber satte 42 Prozent schränken sich aufgrund der aktuellen Teuerung bei ihren Ausgaben ein. Jedoch nicht überall: «Die Leute halten sich meiner Beobachtung nach bei den Weihnachtsgeschenken nicht zurück und wollen Freude schenken», meint Samuel Meyer.
Entspannung in Sicht
Die Vorsicht ist berechtigt, hält die Bank Cler fest. Ganz düster seien die Aussichten indes nicht. Aktuell hat sich die Inflation stabilisiert, und erste Anzeichen wie die Preisrückgänge auf den internationalen Energiemärkten deuten auf einen nachlassenden Preisdruck hin.
«Anfang 2023 dürften die Zahlen zur Inflation zwar nochmals nach oben zeigen», sagt Chefökonom Martin Eichler von BAK Economics. «Dies jedoch vor allem durch die verzögerte Preisanpassung wie beim Strom.» Dies ändere nichts daran, dass der Höhepunkt der Inflationswelle bereits erreicht sein dürfte.
Die Teuerung werde im Jahresverlauf 2023 allmählich zurückgehen, prognostiziert Eichler: «Bis zum Jahresende 2023 dürfte sie wieder unter 2 Prozent fallen.» Also in jenen Rahmen, welchen die Schweizerische Nationalbank mit Preisstabilität gleichsetzt.