Europa will schnellstmöglich auf russisches Gas verzichten. Das kommt Amerika nicht ungelegen. US-Aussenminister Antony Blinken (60) sagte, dass sich Europa darauf konzentriere, nicht mehr von Russland abhängig zu sein und erneuerbare Energien zu fördern, sei eine riesige Gelegenheit, Wladimir Putin die Energieerlöse als Mittel zur Förderung seiner imperialen Pläne zu nehmen.
Washington versucht seit Jahren, die Staats- und Regierungschefs der EU davon zu überzeugen, russisches Gas gegen amerikanisches LNG (Flüssigerdgas) zu tauschen. LNG kann im Vergleich zu herkömmlichem Erdgas mit Schiffen transportiert werden. Der aufwendige und politisch umstrittene Bau von Pipelines wie Nord Stream 1 und 2 hätte nicht stattfinden müssen.
Am Freitag sagte Blinken, dass die USA jetzt «der führende Lieferant von LNG nach Europa» seien. Laut Blinken könnten die USA «die Gas- und Ölverluste in Europa kompensieren, die durch die russische Aggression gegen die Ukraine entstehen».
Gegenseitige Schuldzuweisungen
Es ist unklar, wer hinter den Nord-Stream-Anschlägen steckt. In einer Rede am Freitag machte der russische Präsident Wladimir Putin (69) «Angelsachsen», also die USA und Grossbritannien, für die Explosionen verantwortlich. «Es ist für jeden offensichtlich, wer davon profitiert», so Putin. «Diejenigen, die davon profitieren, sind diejenigen, die es getan haben.»
Europäische Sicherheitsbehörden glauben, dass massive Sprengsätze gezündet wurden – jeder mit der Wucht von möglicherweise 500 Kilogramm TNT. Dies lasse sich aus den seismischen Signalen schliessen. Auch deute die grosse Sprengkraft darauf hin, dass ein Staat am Werk war, und nicht irgendeine Terrorgruppe.
Russlands Militär verfüge nach Auffassung von Experten des deutschen Geheimdienstes über das Know-how und die Ausrüstung, um auf dem Meeresboden operieren zu können, berichtet der «Spiegel»: «Westliche Geheimdienste wissen etwa von Unterwasserrobotern im russischen Bestand, die in der Lage seien, von Russland aus entlang der Pipeline bis zu geplanten Anschlagsorten zu gelangen, um dort Sprengladungen zu befestigen.»
Demnach hatte der US-Geheimdienst CIA die bundesdeutsche Regierung schon vor Wochen vor möglichen Anschlägen auf Gas-Pipelines in der Ostsee gewarnt. (kes)