Ärger über Kundendienst der Swiss – Kommerzchefin nimmt Stellung
«Standardfragen verlängern Wartezeiten für Personen mit komplexeren Anliegen»

Blick berichtet immer wieder von Passagieren, die Ärger mit dem Kundendienst der Swiss haben. Nun nimmt Kommerzchefin Heike Birlenbach exklusiv Stellung und verrät, wie du am schnellsten Hilfe bekommst.
Publiziert: 19.08.2024 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 19.08.2024 um 09:50 Uhr
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Kommerzchefin Heike Birlenbach gibt Einblicke in den Kundendienst der Swiss.
Foto: Milena Kälin
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Milena KälinRedaktorin Wirtschaft

Flugticket nicht richtig gescannt, falsches Formular ausgefüllt oder ein technischer Fehler im System: Blick berichtet immer wieder über Schicksale von Reisenden, deren Flugtraum zum Albtraum wurde. Gerade bei der Swiss haben sich solche Fälle zuletzt gehäuft. Viele Passagiere nerven sich vor allem über den Kundendienst.

Darum bat Blick die Lufthansa-Tochter um klärende Worte. Weil der neue Chef Jens Fehlinger (43) erst im Oktober das Swiss-Ruder steuert, nimmt Kommerzchefin Heike Birlenbach (57) Stellung, die die Airline vorübergehend leitet.

Im Gespräch zeigt sich die Deutsche gelassen, aber bestimmt – und nimmt die Situation ernst. Birlenbach: «Ich möchte mich gern in aller Form bei jenen Kundinnen und Kunden entschuldigen, die irgendetwas Negatives erlebt haben.»

Gleichzeitig bemüht sie sich, den Kundenärger, über den Blick berichtete, in Kontext zu setzen. Laut ihren Angaben flogen im vergangenen Jahr 16 Millionen Passagiere mit der Swiss durch die Welt. «Weit weniger als ein Prozent unserer Kundschaft hat eine Beschwerde oder Forderung an uns gerichtet», so Birlenbach. In absoluten Zahlen dürften die Anzahl Forderungen oder Beschwerden dennoch bei rund 100'000 liegen.

Davon sind gemäss der Airline wiederum weniger als ein Prozent auf einen menschlichen oder einen Fehler im System zurückzuführen. Konkrete Zahlen will die Swiss nicht herausgeben.

Wo Automatisierung Sinn macht

Hauptkritikpunkt der Passagiere, die sich bei Blick melden: Ihnen geht es bis zur Lösung des Problems mit der Swiss oft zu lange. «Kunden wollen möglichst punktgenau und zeitnah zuverlässige Informationen erhalten», bestätigt Aviatik-Kennerin Marion Venus (49). Die Pilotin ist auch Expertin für Flugsicherheit.

Mit sogenannten Webformularen möchte die Swiss Forderungen schneller beantworten. Die Anfragen werden halbautomatisch bearbeitet. In einem letzten Schritt wird der Kunde vom Mitarbeitenden kontaktiert und die Erstattung ausgeführt. Diesen letzten Schritt will die Swiss noch automatisieren, um so eine raschere Bearbeitung zu ermöglichen, kündigt Birlenbach an. «Einfache Fälle lassen sich häufig innerhalb eines Tages bearbeiten. Bei wenigen Einzelfällen kann eine Abklärung schon mal dauern. Aber im Schnitt schaffen wir es, auch komplexe Anfragen innerhalb von vier Tagen zu beantworten.» Der Kunde könne den Service der Airline auch bewerten – dadurch habe sich der Kundenservice sukzessive verbessert.

Blick berichtete weiter über mehrere Fälle, wo das Rückflugticket wegen eines technischen Fehlers storniert wurde. Der Kunde tappt oft mehrere Tage im Dunkeln. «Versteht der Chatbot die Frage oder einzelne Begriffe der Anfrage nicht, muss der Kunde schnell und zuverlässig zu einem menschlichen Kundendienst-Mitarbeiter weitergeleitet werden», fordert Expertin Venus.

Setzt die Swiss zu sehr auf die Automatisierung? «Unser Anspruch ist, dass wir für alle Bedürfnisse die richtige Antwortform haben», so Birlenbach. Bei ihrer Fluggesellschaft habe die Kundschaft verschiedene Möglichkeiten, Hilfe zu suchen: via Bot, Live-Chat oder Telefon.

Der Chatbot kann vor allem Standardfragen beantworten. «Viele rufen an und möchten Informationen zum Gepäck oder zu welchem Terminal sie müssen. Solche Standardfragen verlängern die Wartezeiten für Personen mit komplexeren Anliegen.»

Liefert der Chatbot nicht die gewünschte Antwort, verweist er an einen Live-Chat, der von einem Servicemitarbeitenden betreut wird – oder ans Callcenter. «Wir haben über 2,2 Millionen Anrufe pro Jahr. Durch den Chatbot konnten dieses Jahr bereits fast 200'000 Anrufe vermieden werden», gibt die Kommerzchefin preis. Die Swiss versuche, da zu automatisieren, wo es viele gleiche Anfragen gebe.

Die Prozesse in der Flugbranche sind jedoch von sich aus bereits sehr komplex. Allein mit dem Check-in-Prozess sind bei der Swiss schon 20 verschiedene Systeme verbunden, erklärt Birlenbach. Wegen dieser vielen Verbindungen könne es zu Ausfällen kommen.

Nach Automatisierung kommt KI

Aviatik-Expertin Venus spricht von einem Problem, wenn sich Unternehmen zu viel von der Automatisierung versprechen. Die Swiss testet solche neuen automatisierten Prozesse immer erst im kleinen Rahmen, beschwichtigt Birlenbach. «Wenn eine Fragestellung zu komplex ist, finden wir das schnell heraus.» Erst, wenn ein Test gut verlaufen ist, wird die Technologie ausgeweitet.

Birlenbach kündigt an: In Zukunft will die Swiss nicht nur auf Automatisierung, sondern auch auf Künstliche Intelligenz setzen. Beispielsweise können so die Gründe für Anrufe besser verfolgt werden, sagt sie. «Dann sehen wir, wenn es zu einem Thema besonders viele Anfragen gibt – und können reagieren.» Die Verantwortlichen der Swiss können sich auch vorstellen, Chatbot-Antworten in ferner Zukunft zu personalisieren.

Wenn es trotzdem zu Problemen kommt, hat die Kommerzchefin noch einen Tipp, wie man am schnellsten Hilfe bekommt: «Am zielführendsten ist es, auf unsere App mit der persönlichen Travel-ID zurückzugreifen, da so am besten weitergeholfen werden kann.» Die Travel ID ist ein einheitliches Login-System, mit dem sich Passagiere bei allen Fluggesellschaften der Lufthansa Group sowie beim Vielfliegerprogramm Miles & More anmelden können. Damit lassen sich Buchungen, Check-ins und andere Dienstleistungen einfacher verwalten.

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