Vier Spitex-Vereine zählte St. Gallen bis Ende des letzten Jahres. Dann kam die grosse Fusion. Nunmehr arbeiten 140 Personen unter dem gleichen Dach. Pflegerinnen und Bürolisten.
Die Neuorganisation sorgt aber für Frustration. 22 Pflegerinnen haben bereits die Kündigung eingereicht, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet. Sie sind frustriert, weil ein neuer Wind weht. Sie berichten von einer mangelnden Wertschätzung und von einer neuen Pflegephilosophie.
«Wir arbeiten sehr wertschätzend und erwarten dies auch von unseren Vorgesetzten», zitiert die Zeitung eine Spitex-Angestellte. «Das wird jetzt nicht mehr gelebt.» Neu stünde nicht mehr die Klientin und deren Pflege im Mittelpunkt, sondern das Finanzielle, lautet der Vorwurf.
Neues Pflegeverständnis
Konkret heisst das: Diplomierte Pflegefachpersonen sollen sich nicht mehr um die Grundversorgung kümmern. Dazu gehören etwa das Duschen oder Anziehen. Das sollen nunmehr Pflegeassistenten machen.
«Bislang haben die Diplomierten in der Pflege alles gemacht», berichtet die anonyme Spitex-Angestellte dem «Tagblatt». «Wenn man den Klienten duscht und anzieht, kann man prüfen, wie es mit Essen und Trinken aussieht, mit der Ausscheidung und wie es ihm gesundheitlich und psychisch geht. Man kann die familiäre und die finanzielle Situation abklopfen. Und man kann sehen, ob man einschreiten muss oder nicht.»
Für die Angestellte ist klar: Wenn Pflege bedeutet, nicht mehr rundum zur Klientin zu schauen, dann kann sie nicht mehr dahinterstehen mit ihrem Pflegeverständnis.
Personalnot nach Fusion
Die Zeitung hat Michael Zellweger, den Geschäftsleiter der regionalen Spitex-Organisation, mit den Vorwürfen konfrontiert. Er bestätigt die Kündigungen und spricht von unterschiedlichen Kulturen, die wegen der Neuorganisation aufeinanderprallen würden.
«Gewisse Wechsel sind bei einer Reorganisation immer zu erwarten, insofern bin ich nicht überrascht», so Zellweger. Die Fluktuation bewege sich, auch jetzt in der Anfangsphase, auf einem branchenüblichen Niveau. Der Versorgungsauftrag für die Bevölkerung sei gewährleistet.
Weniger optimistisch zeigt sich Edith Wohlfender vom Schweizerischen Berufsverband der Pflegefachfrauen. «Es wurde viel Geschirr zerschlagen», sagt sie zum «Tagblatt». «Wenn so viele Mitarbeitende gehen, wird das Auswirkungen haben.» Und: «Der Markt ist ausgedünnt.» (ise)