1000 Franken Vermittlungsprämie wegen Fachkräftemangel
Velomech bittet Kunden um Hilfe bei Mitarbeitersuche

Es herrscht Fachkräftemangel – besonders in handwerklichen Berufen. Ein Zürcher Unternehmer greift nun zu einem ungewöhnlichen Mittel und bietet eine Prämie für die Vermittlung von Mitarbeitenden. Er muss Aufträge ablehnen, weil er zu wenig Personal hat.
Publiziert: 29.07.2022 um 00:32 Uhr
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Aktualisiert: 30.07.2022 um 10:06 Uhr
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Thomas Ernst sucht für sein Velogeschäft dringend Personal – bisher erfolglos.
Foto: Zvg
Sarah Frattaroli

Thomas Ernst (42) hat acht Angestellte. Er sucht drei weitere – bisher erfolglos. Ernst betreibt die Velo Zürich GmbH mit Filialen in Zürich-Albisrieden und Winterthur ZH. «Wir müssen Kunden vertrösten, weil wir nicht genügend Kapazitäten haben», sagt Ernst gegenüber Blick.

Wer sein Velo reparieren lassen will, braucht einen Termin. Laufkundschaft ist nicht mehr willkommen. «Die Leute laufen rein und wissen gar nicht, was sie wollen, stattdessen erzählen sie von ihrer letzten Velotour», sagt Ernst. Das sei zwar schön – aber ineffizient.

Vermittlungsprämie von 1000 Franken

Es herrscht Fachkräftemangel – auch bei den Velomechs. Thomas Ernst und sein Team haben in den beiden Filialen zusammen 25'000 Kunden. «Wer sein Velo bei uns gekauft hat, wird bei Reparaturen bevorzugt», sagt der Unternehmer. Ansonsten würden die Wartefristen noch länger.

Bei der Suche nach zusätzlichen Mitarbeitenden greift Ernst zu einem ungewöhnlichen Mittel: Wer ihm einen Angestellten vermittelt, erhält eine Prämie von 1000 Franken ausbezahlt! «Wir bieten die Prämie schon länger an. Aber ausbezahlt haben wir sie noch nie», sagt Ernst.

Velosuisse, der Verband der Fahrradbranche, bestätigt, dass der Markt ausgetrocknet ist. Besonders, weil die Velowerkstätten geschultes Personal brauchen – keine Quereinsteiger. Wer das eigene Velo zu reparieren weiss, bildet sich schnell ein, Velomech zu sein. Weit gefehlt!

Mit der zunehmenden Beliebtheit von Mountainbikes und E-Bikes ist der Job komplexer geworden. «Der Beruf ist näher an den Auto- und Motorradmechaniker gerückt, der sich mit komplexen Federungs-, Schaltungs- und Bremskomponenten auskennen muss», sagt Martin Platter (57), Geschäftsführer von Velosuisse. «Dazu kommt eine Menge Elektronik und sogar Programmierkenntnisse sind gefragt.»

Die gesamte Handwerksbranche leidet aktuell unter dem Fachkräftemangel. Neben Velomechanikern suchen auch Gipser, Maler oder Maurer händeringend nach Personal. «Es ist heute nicht mehr populär, beim Arbeiten schmutzige Hände zu bekommen», sagt Platter. Entscheidender Faktor ist auch der Lohn. Velomechaniker verdienen in der Schweiz durchschnittlich 4500 Franken im Monat.

Veloboom durch Pandemie

Erschwert wird die Lage durch den anhaltenden Veloboom. Die Pandemie hat das Zweirad zum Trendverkehrsmittel gemacht. Es gibt viel Arbeit – aber zu wenig Personal.

Die Lösung wäre mehr Nachwuchs. Der Zürcher Velounternehmer Thomas Ernst bildet Lernende aus – er kann aber nicht jedes Jahr einen Lehrling anstellen. «Dazu fehlen mir die Ressourcen. Das braucht ja auch Ausbildner.»

Der Fachkräftemangel wird sich – in allen Branchen – in den kommenden Jahren noch zuspitzen. Ernst bleibt trotzdem optimistisch. «Man muss einfach Sorge zu seinen Mitarbeitern tragen», sagt er. «Das spricht sich rum.» Ebenfalls rumsprechen wird sich seine 1000 Franken hohe Prämie für die Vermittlung neuer Angestellter. Möglich, dass schon bald ein neuer Mechaniker bei Ernst anheuert.

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