AHV-Anlagefonds investiert Milliarden in den USA
«Der Schweizer Markt ist für unser riesiges Anlagevermögen viel zu klein»

Im Interview spricht Manuel Leuthold (65), Präsident des AHV-Anlagefonds, über die Rendite 2024. Und erklärt, warum 10 Milliarden an Rentengeldern in den USA investiert sind.
Publiziert: 01.01.2025 um 11:01 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2025 um 09:39 Uhr
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Manuel Leuthold ist noch bis 2027 im Amt als Präsident des AHV-Fonds.
Foto: Philippe Rossier

Auf einen Blick

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Stefan Barmettler
Handelszeitung

Compenswiss verwaltet die Ausgleichsfonds von AHV/IV/EO in der Höhe von 40 Milliarden Franken. Wie schliessen die drei Fonds 2024 ab?
Manuel Leuthold: Es ist ein gutes Jahr, die Fonds schliessen mit einer Performance von rund 7 Prozent ab.

Der SMI-Index hat dieses Jahr nur 4 Prozent zugelegt, die Pensionskassen hingegen rund 7 Prozent.
Richtig, wir sind mit unserem Ergebnis gut positioniert und liegen im Mittelfeld der Schweizer Pensionskassen. Das ist gut, weil wir auch die grosse Liquidität im Auge behalten müssen, damit die Renten ausbezahlt werden können.

Sie schliessen besser ab als 2023, als die Performance bei 5 Prozent lag.
Das ist so, wir dürfen allerdings nicht nur das Positive sehen. Über die letzten drei Jahre haben die Fonds nur schwach positiv zugelegt, weil im Corona-Jahr 2022 ein Verlust von 12 Prozent anfiel. Für dieses Jahr kann man sich über das positive Resultat freuen, aber mit Blick in die Zukunft muss man sich im Klaren sein, dass das Ergebnis auch mal schlechter ausfallen kann.

Immerhin müssen wir – nach dem Bundesgerichtsurteil – nicht mehr über das Rentenalter der Frauen abstimmen. Diese Anpassung bringt der AHV jährlich 1 Milliarde ein.
Das ist der Entscheid des Bundesgerichts. Für den AHV-Fonds ist er insofern eine gute Sache, weil man jetzt das Projekt AHV 21 als etwas Etabliertes sehen kann und wir unsere Prognosen über den Zustand der AHV nicht nach unten korrigieren müssen. Eine Wiederholung der Abstimmung über die AHV 21 hätte die Situation der AHV weiter verschlechtern können.

Artikel aus der «Handelszeitung»

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Weil unter Umständen 1 Milliarde pro Jahr wegfiele?
Es sind 2 Milliarden, 1 Milliarde dank der Anpassung des Rentenalters und 1 Milliarde durch die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Dies sorgt definitiv für eine Entlastung der AHV. 

Die Einführung der 13. AHV-Rente verursacht dagegen Mehrkosten in Milliardenhöhe. Wie lange ist die AHV noch im Lot?
Bei der 13. AHV-Rente, die im Dezember 2026 erstmals ausbezahlt wird, ist die Finanzierung noch nicht sichergestellt. Es hängt also viel davon ab, wie diese umgesetzt wird – und wann. Wenn die Finanzierung 2026 steht und greift, ist es gut. Wenn sie später kommt, wird die AHV ab 2026 in die roten Zahlen rutschen, denn dann müsste der Fonds diese Mehrkosten selber finanzieren. Da reden wir von über 4 Milliarden im Jahr 2026 und von über 5 Milliarden in den Folgejahren.

Damit würde das Anlagevermögen schrumpfen, weil Sie Aktien verkaufen müssten?
Das ist so, dann müssen wir Assets verkaufen. Das mussten wir schon 2019 tun, weil das Fondsergebnis schlecht ausfiel. Damals haben wir jeden Monat für 150 Millionen Franken Assets verkauft, was natürlich die spätere Performance gesenkt hat. Weil wir stets die Liquidität für die Auszahlung der Renten sicherstellen müssen, müssen wir die nötigen Mittel bereithalten. 

Die Allokation der von Ihnen verwalteten 40 Milliarden haben Sie verändert? Der Aktienanteil liegt bei 30 Prozent, Anleihen bei 52 Prozent, Immobilien bei 15 Prozent, Gold bei 3 Prozent. Gilt das weiterhin?
Wir debattieren jedes Jahr über die Allokation, aktuell sind wir bei den Aktien ungefähr bei 30 Prozent. Wir machen jeweils nur kleine Retuschen, weil wir unsere Allokation für vernünftig und solide halten.

Kryptowährungen sind kein Thema? 2024 haben sie massiv zugelegt. Bitcoin hat sich verdoppelt.
Der Compenswiss-VR hat entschieden, nicht in Kryptos zu investieren. Weil wir die Treiber der Kryptos noch nicht richtig verstehen und die Aufbewahrung noch kompliziert ist. 

Der Treiber von Digitalwährungen war die Wahl von Donald Trump.
Eine interessante These. Klar verfolgen wir, wie sich diese Währungen entwickeln. Allerdings sind sie für uns noch nicht eine Anlageklasse. 

Profitiert haben Sie dafür von Tech-Aktien?
Klar, vor allem in den USA. Hier profitieren wir auch davon, dass das Gewicht der US-Aktien im Weltindex massiv ist und fast zwei Drittel ausmacht. Da gibt es also einen US-Bias, der im Moment sehr attraktiv ist. Der Aufbau an Marktkapitalisierung ist allerdings nicht über Nacht entstanden, sondern hat sich über viele Jahre aufgebaut. 

Von wie vielen US-Firmen halten die AHV/IV/EO-Ausgleichsfonds Aktien?
Es sind ungefähr 2300 Firmen, von denen wir direkt oder indirekt, also via Fonds, Aktien halten. Diese Wertschriften haben einen Wert von circa 9,6 Milliarden Dollar.

Dieser Amerika-Bias birgt keine geopolitischen Risiken?
Die geopolitischen Risiken sind 2024 zwar gestiegen, da gabs vielerorts Regierungswechsel, Armut, und da sind der anhaltende Ukraine-Krieg, die militärische Auseinandersetzung in Nahost und der Sturz von Assad in Syrien – allerdings haben die Märkte wenig auf die Ergebnisse reagiert und sich von den Ereignissen nicht beeindrucken lassen.

In der Schweiz löste die Verschiebung des Depotbankmandats der Ausgleichsfonds von der UBS zur US-Bank State Street eine politische Diskussion aus. Da war von hohen Risiken die Rede, von fehlendem Patriotismus und vom Risiko, die USA könnten das Milliardenvermögen der Schweizer Rentnerinnen und Rentner beschlagnahmen oder mit Sanktionen belegen.
Diese Kritik basiert auf Illusionen und Missverständnissen.

Werden die Wertschriften der AHV-Fonds künftig in den USA aufbewahrt?
Das ist eine Fehlvorstellung. Wertschriften von ausländischen Emittenten wurden nie in der Schweiz aufbewahrt. Die Titel werden jeweils im Land des Emittenten gehalten, koreanische Aktien zum Beispiel müssen also in Korea bei einer lokalen Depotbank aufbewahrt werden. Nur Schweizer Assets werden in der Schweiz aufbewahrt. 

Nur wenn das gesamte Vermögen in Schweizer Aktien investiert wäre, würden die Assets in der Schweiz aufbewahrt?
Richtig, diese werden hierzulande aufbewahrt. Doch der Schweizer Markt ist für unser riesiges Anlagevermögen viel zu klein. Diese Beschränkung würde das Risiko erhöhen, zudem wäre die Performance massiv tiefer, weil wir unter anderem nicht vom US-Markt profitieren könnten. Unter dem Strich wäre das schlecht für unsere Fonds. Die Schweizer Titel werden weiterhin von der UBS in der Schweiz gehalten.

Mit State Street als Global Custodian werden also die Vermögenswerte gar nicht in die USA transferiert und sind nicht dort hinterlegt?
Nein, die Vermögenswerte sind über viele Länder verteilt. Und die globale Depotbank State Street transferiert die Assets nicht ins Ausland und hält sie auch nicht, sondern sie konsolidiert sie aus Reporting- und Performanceberechnungsgründen. Dafür braucht es technische Systeme, eine globale Präsenz und Know-how, um Positionen in fünfzig und mehr Ländern täglich zu konsolidieren, mit all den Bewertungen, die sich ständig ändern – und das in vielen ausländischen Währungen und bei einem Anlagevolumen von Dutzenden Milliarden Franken. All dies zu überwachen und zu konsolidieren, setzt technische Systeme voraus, eine internationale Präsenz und viel Erfahrung. Damit ist State Street als unsere globale Depotbank betraut.

Dazu ist State Street befähigt?
Die Firma ist einer der grössten Global Custodians der Welt und administriert Vermögenswerte von über 40’000 Milliarden Dollar weltweit, hat also riesige Assets under Custody. State Street arbeitet mit sehr leistungsfähigen Systemen, davon profitieren wir. 

Ist die börsenkotierte State Street auch sicher?
Sie ist eine Finanzdienstleisterin und eine globale Depotbank und ist nicht im Investmentbanking aktiv. Das heisst, ihr Risikoprofil deutet auf ein tieferes Risiko hin als andere globale Banken. Und die These, wonach die Finanzdienstleister in der Schweiz sicher seien und jene im Ausland unsicher, halte ich für gewagt. Mit State Street haben wir eine Bank mit tiefem Risiko ausgewählt, das war bei unserem Entscheid wichtig. Und wenn man mit dem Ausland geschäftet, kommt man nicht um ausländische Banken herum. Da muss man die Hausaufgaben machen und darauf achten, dass die Risiken tief bleiben. 

In den USA liegt ein Viertel der Vermögen der AHV-Fonds. Sie schliessen aus, dass die USA diese 10 Milliarden einsetzt, um die Schweiz unter Druck zu setzen?
Die Wahrscheinlichkeit, dass die USA die Schweiz wie Nordkorea, Sudan oder Kuba behandelt, ist aus unserer Sicht sehr gering. Und wenn es dennoch dazu käme, würde eine Schweizer Bank die US-Sanktionen auch rigoros umsetzen.

Und wenn die Ausgleichsfonds die Credit Suisse als Custodian gewählt hätten?
Dann hätte ich ein paar schlaflose Nächte gehabt. 

Bis 2023 war die UBS Ihr Global Custodian. Weshalb haben Sie die UBS durch State Street ausgetauscht?
Wir waren zufrieden mit der UBS, sie hat diese administrative Arbeit für uns während 27 Jahren erledigt. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) riet uns, eine Ausschreibung für das Mandat der Depotbank zu lancieren. Daraufhin haben wir einen sorgfältigen Auswahlprozess aufgesetzt, Offerten geprüft und uns schliesslich für die State Street als Global Custodian entschieden.

Eine andere Bank, etwa die ZKB, stand nicht zur Debatte?
Es gibt in der Schweiz wenige Banken, welche diese Dienstleistungen anbieten, allerdings nicht in diesen Dimensionen, wie sie bei unseren Fonds gefragt sind. Wir haben Ansprüche, die nur eine erfahrene internationale Bank erledigen kann, eine Kantonalbank scheint mir weniger geeignet. Bei der Ausschreibung erhielten wir hauptsächlich Offerten von internationalen Playern. 

Die neusten Prognosen zeichnen ein düsteres Bild der IV: Die Ansprüche wachsen, die Prämien der Versicherten aber nicht im selben Ausmass. Und dann hat die IV noch über 10 Milliarden Schulden beim AHV-Ausgleichsfonds. Wann werden diese Schulden abgebaut?
Sehr wahrscheinlich kann die IV diese Schulden in absehbarer Zeit nicht zurückzahlen. Wir reden da von Schulden von 10,3 Milliarden.

Was heisst das?
Die IV schuldet der AHV über 10 Milliarden Franken, das drückt auf die Performance des AHV-Fonds. 

Sie sind dieser Tage 65 Jahre alt geworden. Schieben Sie Ihre AHV-Rente hinaus?
Nein, für mich ist der Bezug ab nächstem Jahr richtig. Es ist für mich eine ungewöhnliche Situation, denn nun sitze ich nicht nur auf der Seite des AHV-Ausgleichsfonds, sondern bin auch gleichzeitig Rentenbezüger. 

Sie arbeiten weiter?
Ja, ich bin ja noch bis 2027 als Präsident von Compenswiss gewählt.

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