Es hat Werner Schuster schon fast beim Hinschauen weh getan, als sich Simon Ammann Anfang Saison über die Skisprung-Schanzen quälte. Der TV-Experte und Ex-Ammann-Coach sagt zu BLICK: «Am Anfang bei Eurosport ist es mir wirklich schwer gefallen, ihn zu kommentieren. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er nur annähernd eine Chance hat, an der Weltspitze anzudocken.»
Warum? Der Sprung als Ganzes war einfach derart weit weg von den besten. «Von der Körpersprache her und auch von der Technik», so Schuster. «Das hat einfach nicht gut ausgesehen.»
Ammanns Comeback zeugt von Klasse
Mittlerweile sieht es ganz anders aus. Ammann hat sich enorm gesteigert und zeigt in einzelnen Sprüngen wieder Top-Leistungen.
Schuster, Schweizer Nati-Coach in der Saison 2007/08, ist schwer beeindruckt, wie sich der vierfache Olympiasieger selber aus dem Mist gezogen hat. «Es ist bemerkenswert, dass er dann in die zweite Liga zurück ging und dort sofort in die Spur gefunden hat. Das zeugt schon von Klasse», sagt Schuster und verweist damit auf Ammanns Abstieg in den Continental Cup im Januar. «Vom Kopf her ist es unglaublich schwer zurück zu steigen, wenn man einst zu dominiert hat.»
Blockade seit Sturz in Bischofshofen
Der Medaillenkampf ist aber noch weit weg. Und der Österreicher, der heute Gregor Schlierenzauer trainiert, bezweifelt auch, dass es sein einstiger Schützling je nochmal dorthin schafft. «Diese Art Landeanflug und der Telemark. Im zweiten Flugteil fehlt da schon einiges», meint Schuster. «Früher ging er jeweils in steilster Vorlage an die Landung. Das gelingt ihm nicht mehr. Der Sturz in Bischofshofen hat da schon etwas verändert. Ich glaube, da ist er wohl auch als Mensch irgendwo blockiert.»
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Nur wenn der Toggenburger diese Blockade wieder lösen könne, liege eventuell doch noch einmal mehr drin. «Sein Absprung und die erste Flugphase sind nach wie vor spektakulär und einzigartig.»
Ammann nicht einfach zu handeln
Schuster muss es wissen. Auch wenn er nicht lange Ammanns Trainer war, lernte er den heute 39-Jährigen gut kennen, sei auch auf der Hochzeitsfeier von Ammann mit seiner Frau Yana eingeladen gewesen. Und es gab Momente, da hatte Schuster durchaus seine liebe Mühe mit Simi. «Absolute Ausnahmekönner sind selten ganz einfach zu handeln», stellt Schuster klar.
«Simon ist schon eine spezielle Person. Und er hat auch seine eigene Art und Herangehensweise ans Fliegen und ans Risiko. Man muss sich da selber vertrauen, muss eine starke Persönlichkeit sein», sagt Schuster. «Das erschwert manchmal den Umgang mit ihm und das kann dann auch mühsamer wirken.»
Der persönlichste Moment mit Ammann
Den persönlichsten Moment mit Ammann beschreibt Schuster in seinem Buch «Abheben», das seit Januar im Handel ist. Als klar wurde, dass er nach nur einem Jahr bei der Schweizer Trainer der Deutschen würde, die er dann später zum Team-Olympiasieg und -WM-Gold führte, kam es zu einem Treffen. «Werner, bleib doch bei uns», habe Ammann gesagt. Und dann: «Eigentlich ist es mir auch egal, wenn du gehst. Ich bin dir dankbar für deine Impulse. Ich weiss, was ich zu tun habe und werde den Weg mit dir oder auch ohne dich fortsetzen.»
Der Moment hat sich bei Schuster tief eingebrannt. «Mich hats innerlich zerrissen und ich hatte auch ein schlechtes Gewissen. Diese Begegnung hat mir gezeigt, welcher grosse Sportler er ist.»
Ammann sprach schon vor 14 Jahren vom Rücktritt
Dass Ammann heute noch springt, hätte Schuster nie für möglich gehalten. «Ich dachte damals 2007, dass er bis 2011 oder 2012 springen wird», erinnert er sich. «Er hat das mal so gesagt.»
Längst ist klar, dass es anders gekommen ist. Ammann nimmt noch einmal die Olympischen Spiele 2022 ins Visier. «Leichter wird es nicht», sagt Schuster. «Aber ein Jahr wird er schon noch investieren können.»