Wäre in den letzten rund zehn Tagen eine Dokumentation über Nadine Fähndrich (29) gedreht worden, die Filmemacher hätten sich wohl die Augen gerieben: So viele Emotionen, komprimiert in so kurzer Zeit, hätten vermutlich auch im optimistischsten Dreh-Konzept keinen Platz gefunden. Doch die Eigenthalerin stellte eindrücklich unter Beweis, weshalb sie längst die erfolgreichste Schweizer Langläuferin aller Zeiten ist. Und obendrauf zeigte sie auch noch viel Organisationstalent.
Am Anfang stand ihre historische Einzel-Medaille an der Nordisch-WM in Trondheim (No). Mit Bronze im Sprint war sie die erste Frau seit Evi Kratzer 1987 (5 km klassisch), die Swiss-Ski im Langlauf Einzel-Edelmetall an einer WM bescherte. Dann folgte im Teamsprint mit Anja Weber (23) ihr zweiter Bronze-Coup. Und schliesslich die ebenfalls historische Schweizer Staffel-Sensation der Männer, bei denen Nadines Bruder Cyril Fähndrich (25) seinen Teil zu Silber und der ersten WM-Medaille seit 1972 beitrug. Logisch, dass Nadine Fähndrich auch da im Ziel mitfieberte und hinterher mit dem gesamten Team feierte.
«Strenger, als ich es mir ausgemalt hatte»
Weil sie nach dem Einzel-Sprint jedoch entschieden hatte, doch noch den Engadin Skimarathon zu absolvieren, ging es für sie Schlag auf Schlag weiter. Erst am Samstagabend im Bündnerland angekommen, startete sie tags darauf um 8.15 Uhr schon ins Rennen – und gewann dieses prompt. Dann: Essen, erste Regenerationsmassnahmen, packen – und direkt weiter nach Zürich, wo sie am späteren Nachmittag zusammen mit Anja Weber im TV-Studio erwartet wurde. Grund: der grosse Auftritt im Sportpanorama. «Dieses Programm war strenger, als ich es mir ausgemalt hatte», gibt Fähndrich jetzt zu, lacht dabei aber, denn ihr Plan sei letztlich «voll aufgegangen».
Nun steht als Erstes eine Woche Pause in der Innerschweiz an, bevor es am 19. März mit dem Weltcup-Sprint in Tallinn (Est) weitergeht. «Ich belohne mich für meine Erfolge damit, dass ich meine Sachen erst morgen auspacken muss», scherzt sie am Montag gegenüber Blick. Sie freue sich auf ein wenig Zeit mit ihrem Freund und ihrer Familie. Am Mittwoch steht zudem noch ein Empfang in Schwarzenberg LU an. Auch die Heimat der Fähndrich-Geschwister ist der Meinung: Die letzten verrückten Tage sollen gebührend gewürdigt werden.
Vom inneren Druck befreit
Sie selbst sagt: «Ich habe so lange von dieser Einzel-Medaille geträumt – ich habe es noch immer nicht richtig realisiert. Ich bin sehr stolz und sehe es auch als Belohnung für die jahrelange, harte Arbeit.»
Nach den Olympia-Tränen (Rang fünf in Peking 2022) und den verpassten WM-Exploits in ihrer Karriere, ist ihr in Trondheim die Erlösung gelungen. Wobei dies möglicherweise auch mit einer neuen mentalen Einstellung zu tun habe: «Ich hatte schon im Vorfeld dieser WM akzeptiert, dass es auch okay wäre, wenn ich diese Einzel-Medaille nie holen würde. Ich wusste, dass ich dennoch eine sehr gute Karriere hingelegt hätte. Das hat mich wohl vom inneren Druck befreit.»
Doch das ist wiederum auch nur die Hälfte ihres Erfolgsgeheimnisses. Die andere ist ihr Hunger nach Herausforderungen und Erfolgen: «Ich freue mich schon jetzt wieder auf den Weltcup und die nächsten Weltmeisterschaften. Wenn du einmal schnell bist, willst du immer mehr.»