Auf dem Papier ist alles wieder in Ordnung, doch einfach vergessen kann David Brotzer (46) diesen denkwürdigen Engadiner Skimarathon und seine Folgen nicht. «Das war keine einfache Woche», sagt der Schwyzer Weltcup-Servicemann, «ich habe Hass-Mails bekommen, wurde darin als Lügner und Betrüger bezeichnet, den man lebenslang sperren sollte.» Auch sein Telefon klingelte. «Anonym. Ich bekam nur zu hören, dass ich ein A…loch sei.»
Das alles wegen des riesigen Wirbels um die Disqualifikationen wegen des im Rennen unerlaubten Fluorwachses am Engadiner Skimarathon. Neben Siegerin Maëlle Veyre kam es zu weiteren elf Ausschlüssen. Zwei dieser elf betraf Brotzer. Er ist seit vielen Jahren in der Langlauf-Szene tätig, er führt in Reichenburg SZ ein Sportgeschäft und ist für den finnischen Wachsfabrikanten «Start» Importeur, Produkteentwickler und im Weltcup als Servicemann regelmässig vor Ort.
Von vier identisch präparierten Ski zwei positiv
Am Engadiner hatte Brotzer für die Langlauf-Interessengemeinschaft «ProNordic» 80 Skipaare gewachst. Alle ohne Fluor, wie er versichert. Vier «seiner» Ski wurden getestet, zwei blieben in der Kontrolle hängen. Offenbar tatsächlich zu Unrecht, denn am Freitag rudert der Weltverband FIS zurück – drei Disqualifikationen werden «wegen Fehlern im Fluor-Protokoll» rückgängig gemacht.
Veyre bekommt ihren aberkannten Sieg zurück. Und auch Brotzers Athleten Daniel Grätzer (Rang 61) und Silvan Durrer (Platz 4 bei den U20-Männern) rückten wieder in die Ranglisten, ihre zweijährige Startsperre für den Skimarathon wird aufgehoben.
Brotzer ist also rehabilitiert. Doch als Blick ihn am Samstag in seinem Geschäft besucht, schüttelt er wegen der letzten Tage noch immer den Kopf. Da ist einerseits die Hasswelle, die er abkriegt. Die Heftigkeit erschüttert ihn. Da ist aber auch viel Frust über den Ablauf der Fluortests im Engadin.
Fragwürdige Abläufe vor Ort im Ziel
Einerseits kritisiert der frühere Messtechniker die Messung als nicht 100-prozentig sattelfest. Diese wird mit einer Infrarot-Spektroskopie gemacht, es wird also ein Lichtstrahl auf den Skibelag geschossen. Das reflektierte Licht gibt Aufschluss über die Substanzen. Es geht um Werte zwischen 0 und 1 – ist es mehr, geht am Messgerät die rote Lampe an. Brotzer: «Hier kann es zu Fehlern bei der Interpretation der gemessenen Kurve kommen. Es gibt auch andere Substanzen, die den Wert über 1 in die Höhe schnellen lässt.»
Zudem sagt er: «Nur schon veränderte Lichtverhältnisse im Zelt können das Testergebnis erheblich beeinflussen.»
Andererseits seien aber auch die Abläufe vor Ort chaotisch gewesen. Der reglementarisch vorgesehene zweite Test im Beisein des Athleten sei nicht gewährt worden, auch eine Rekursmöglichkeit nicht. «Es hiess, der zuständige FIS-Mann sei schon gegangen», so Brotzer.
Ihm stinkt, dass er unter Verdacht geriet. Der Servicemann und auch die finnische Wachsfirma, für die er arbeitet, möchten die Messprotokolle einsehen. Doch die rückt die FIS – am Engadiner für die ganze Fluor-Sache verantwortlich – bisher nicht raus. Gegenüber Blick stellte der Weltverband eine Stellungnahme für nächste Woche in Aussicht.