Mitten im Sommer bricht im Curling eine neue Zeitrechnung an. Swiss Curling revolutioniert sein traditionelles Quali-System für die WM. Bisher wurde an den SM unter den Klubteams ausgefochten, wer als Schweizer Vertretung zur WM reisen darf.
Neu hat die SM keine grosse Bedeutung mehr. Nun gilt ein ziemlich kompliziertes Punktesystem als massgebend für den WM-Start.
Es ist ein System, das total auf unsere beiden Weltklasseteams zugeschnitten ist: auf die vierfachen Weltmeisterinnen um Aarau-Skip Silvana Tirinzoni (44) und das Genfer WM-Bronze-Topteam von Skip Yannick Schwaller (28).
Olympia-Plätze eigentlich schon vergeben
Das Punktesystem ist so ausgelegt, dass die beiden Spitzenteams schon jetzt mit der WM-Teilnahme im Frühling 2024 (Männer in Schaffhausen, Frauen in Kanada) rechnen können. Und eigentlich auch mit der WM 2025 und den Olympischen Spielen 2026. Für die EM im November sind beide auch bereits kampflos selektioniert.
Wow. Der Verband legt den Topteams den roten Teppich aus. Nationale Konkurrenz? Brauchen Tirinzoni und Schwaller eigentlich nicht mehr zu fürchten.
«Wir wollen sicherstellen, dass wirklich das beste Team die Schweiz vertritt. Schon vorher waren neben der SM auch Punkte massgeblich. Jetzt ist alles transparenter», sagt Marco Battilana, Chef Leistungssport beim Verband.
Er erklärt die Quali-Revolution so: «Das System ist auf Erfolg ausgerichtet. Wir wollten Stabilität in den Prozess reinbringen.» Sprich: Verhindern, dass sich an der SM womöglich mal ein Sensationsteam den WM-Platz schnappt, dort dann aber chancenlos ist und im dümmsten Fall die Schweizer Olympia-Quali aufs Spiel setzt.
Curling-Legende Patrick Hürlimann (60) schüttelt bei dieser Argumentation den Kopf. Der Olympiasieger von 1998 sagt zu Blick: «Das ist eine sehr schlechte Entwicklung. Der Kampf um die WM gehört aufs Eis. Die SM war immer das Turnier mit dem höchsten Druck. Damit muss ein Leistungssportler umgehen können. Der Verband hat offenbar überhaupt kein Vertrauen in die Teams hinter den Top-Equipen.»
Hürlimann schlägt vor allem wegen des Nachwuchses Alarm, weil das neue System allen Teams ausser Tirinzoni und Schwaller in den nächsten Jahren den Weg an die Titelturniere verbaut. «Schon jetzt haben erste ambitionierte Spieler aufgehört. Langfristig bekommt das Schweizer Curling ein riesiges Problem.»
Verbandsboss Battilana hält dagegen und sagt: «Das alte System war sicher durchlässiger. Aber wir arbeiten daran, dass dem Nachwuchs weiterhin attraktive Optionen geboten werden.»