In Lenzerheide jagt gerade eine Premiere die nächste. Am Sonntag verzeichnete die Biathlon-WM mit den beiden Verfolgungsrennen einen Zuschaueraufmarsch von 13'500 Fans, was natürlich absoluter Schweizer Rekord war. Auf eine ähnliche Zahl kamen die Veranstalter weder zu Beginn der erstmals hierzulande stattfindenden Weltmeisterschaft noch bei der Schweizer Weltcup-Premiere im Dezember 2023. Und nun wird die grosse Biathlon-Party im Bündnerland noch einmal einen draufsetzen.
Eine neue Zuschauer-Bestmarke ist für den kommenden Samstag, an dem die Frauen- und Männer-Staffeln stattfinden, bereits sicher. Mindestens 16'500 Besucher sollen es dann sein. Darunter: viele Schweizer, die erstmals überhaupt mit der Randsportart in Berührung kommen. Aber auch Tausende biathlonerprobte und -verrückte Fans aus dem Ausland.
Dazu muss man wissen: Biathlon-Anhänger gelten als besonders leidenschaftlich, treu, fair – und nicht selten auch trinkfest oder zumindest einer guten Party nicht abgeneigt. Das sorgt im Fan-Village, im Zielstadion sowie an der Strecke für eine «richtig geile Stimmung», wie die Schweizer Biathletin Elisa Gasparin festhält: «Wirklich geil, ich kann es gar nicht anders sagen. An gewissen Stellen auf der Strecke hörst du deine eigene, schwere Atmung nicht mehr.»
Die 33-Jährige weiss, wie gut die Stimmung im internationalen Biathlon-Zirkus sein kann. Jetzt hat sie dieses besondere Ambiente direkt vor der Haustüre. Die Bündnerin, die Ende Saison ihre Karriere beenden wird, wohnt wie fast alle Schweizer Exponenten wenige Minuten von der Biathlon-Arena entfernt.
«Das Bier schmeckt»
Wer über die weitläufige Anlage schreitet, der kommt vor allem an deutschen und französischen Fangruppen nicht vorbei. Die Kumpels Mike und Radi etwa sind aus Sachsen angereist, ausgestattet mit Deutschland-Fahnen und zahlreichen Pins von einst besuchten Events. «Seit 2012 waren wir an jeder WM – und erstmals seit damals in Ruhpolding ist das Wetter wieder derart gut», freut sich Radi. Und Mike ergänzt schmunzelnd: «Das Bier schmeckt auch. Es ist nur ein bisschen teuer, da könnte man sich das Trinken fast schon abgewöhnen.» Sieben Euro habe er für seine Dose bezahlt. Die ausgelassene Stimmung an den Bars oder im mit 900 Quadratmetern grössten Party-Chalet der Schweiz, vor allem am letzten Wochenende, zeigt aber: Der Preis spielt in diesen Tagen nicht wirklich eine Rolle.
Mike und Radi sind auch grosse Schalke-Fans. Biathlon aber, das betonen sie, habe eine besondere Faszination: «Diese Sportart ist anders. Uns geht es um die Atmosphäre – hier ist im Gegensatz zum Fussball alles friedlich.»
Ein anderer Fan, der sich als «Werner aus der Pfalz» vorstellt und vom «Jürgen aus Hessen» begleitet wird, sagt: «Wir freuen uns zwar, wenn die Deutschen gut sind, aber das tun wir auch, wenn andere Erfolg haben. Eine Medaille von Lena Häcki-Gross hätte mich sehr gefreut.» Dem pflichten überdies auch Carsten und Monika aus Bochum bei, allerdings mit dem fachkundigen Verweis darauf, dass für dieses historische WM-Resultat «wirklich alles zusammenpassen müsste». Das zeigt sich auch am Dienstag im Frauen-Einzel, in dem Häcki-Gross als 16. einen Exploit verpasst – als beste Lokalmatadorin vor Amy Baserga (19.), Aita Gasparin (20.) und Elisa Gasparin (62.).
Von der Ski-WM rüber zum Biathlon
Und ordentlich beschmückte Schweizer Fans? Die gibt es nach einer kleinen Suche auch noch: Manuel und Kay tragen je einen mit lauter eidgenössischen Fähnchen versehenen Sakko sowie Steinbockmützen. Beide kommen quasi direkt von der Ski-WM in Saalbach. «Wir gingen kurz einen Tag nach Hause, jetzt hoffen wir, dass wir auch hier den Schweizern Glück bringen.»
Das junge Pärchen Louanna und Coriolan ist eigens aus der Bretagne angereist und präsentiert lachend den von beiden getragenen Kopfschmuck: den gallischen Hahn, das französische Wappentier: «Darauf sind wir sehr stolz. Nun wollen wir noch mehr Medaillen für Frankreich!»
Klar scheint: Gefeiert wird in Lenzerheide bis zum WM-Abschluss am Sonntag sowieso. Gerne auch nationenübergreifend, wie alle betonen. Und die Organisatoren dürfen auch jubeln: Inzwischen werden total rund 80'000 Zuschauer erwartet, womit das budgetierte Minimalziel von 55'000 deutlich übertroffen wird.