Was macht eigentlich ein Bundesratsweibel? Er weibelt.
«Weibelinnen und Weibel dienen der Regierung, dem Parlament oder dem Gericht. Sie erledigen Dienst- und Botengänge, wirken als Saaldiener und haben zeremonielle Aufgaben», steht im Stellenbeschrieb. Für die 6000 Franken Monatslohn werden auch Loyalität und Verschwiegenheit sowie hohe Dienstleistungsbereitschaft und grosse Flexibilität verlangt.
Als Bundesrätin Karin Keller-Sutter beim Nordostschweizer Schwingfest in Balterswil vor zwei Wochen die Festansprache hält, da erfährt man auch, wer der hünenhafte Bundesratsweibel neben ihr ist. Ihr Fels in der Brandung, der allein mit seiner Präsenz Sicherheit ausstrahlt.
Der Mann heisst Joel Seeberger. Und ist ein ehemaliger Schwinger.
Seeberger war einst Mitglied im Schwingklub Frutigen. Die ganz grossen Stricke hat er in seiner Karriere im Sägemehl nicht zerrissen. Aber mit seiner Körperfülle vermittelt er nun einer Bundesrätin ein Gefühl der Geborgenheit. Karin Keller-Sutter fühlt sich in seiner Nähe sicher. Und Hektik gibt es auch nicht. Der rundliche Seeberger gilt als «Gmüetsmore».
Mit seiner sportlichen Vergangenheit würde er als Bundesratsweibel auch gut zu Sportministerin Viola Amherd passen. Aber Frau Amherd sucht keinen neuen Bundesratsweibel. Sie hat derzeit andere Sorgen.
Nach dem Einmarsch von Putins Truppen in der Ukraine hat das Internationale Olympische Komitee (IOC) vor Monaten die Empfehlung herausgegeben, russische und weissrussische Sportlerinnen und Sportler von allen Wettkämpfen auszuschliessen. In einer gemeinsamen Erklärung forderten 37 westliche Staaten zudem, keine Sportanlässe in Russland und Weissrussland durchzuführen. Auch Frau Amherd hat damals unterschrieben.
Nun kommt eine neue Forderung: Viele westliche Staaten wollen vom IOC zusätzlich auch die Suspendierung russischer und weissrussischer Funktionäre aus den Gremien des Weltsports. Bei diesem neusten Anliegen fehlt die Unterschrift von Frau Amherd, wie die «Aargauer Zeitung» berichtet.
Warum dieses irritierende Abseitsstehen? Es ist auf das Eingreifen des Aussendepartements von Bundesrat Ignazio Cassis zurückzuführen, wird spekuliert. Frau Amherd hätte gerne unterschrieben.
Eine Unterschrift mehr oder weniger: Dass das IOC dieser neuen Forderung Folge leisten wird, scheint unwahrscheinlich. Zu verbandelt sind die Mächtigen des Weltsports mit Wladimir Putin und seinem Regime.
Es ist einfacher, junge Sportlerinnen und Sportler und auch Behindertensportlerinnen und -sportler von internationalen Wettkämpfen zu verbannen, als altgediente Funktionäre, die mit dem russischen Regime verbandelt sind, aus dem Verkehr zu ziehen. Hier funktioniert das geschmierte und geölte Netzwerk.
Auch wenn Frau Amherd nicht unterschrieben hat: Vielleicht wäre es gut, man würde Bundesratsweibel Seeberger mal nach Lausanne schicken, um diesem Anliegen vieler Staaten beim IOC ein wenig Nachdruck zu verleihen.