Übrigens – die Blick-Kolumne
Rockstars? Alpenrockstars!

Marco Odermatt ist ein Segen! Erlebt der Skisport in seinem Sog tatsächlich einen Aufschwung? Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 28.01.2024 um 19:06 Uhr
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Aktualisiert: 28.01.2024 um 20:36 Uhr
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Rockt das Ski-Geschehen wie kein anderer: Marco Odermatt.
Foto: Sven Thomann

Vielleicht war es Chione, die griechische Göttin des Schnees. Vielleicht war es auch Skadi, in der nordischen Mythologie die Göttin der Jagd und des Winters. Aber es ist egal, wer uns diesen Marco Odermatt wie eine goldene Schneeflocke auf die Pisten dieser Erde geschickt hat. Hauptsache, er ist da.

«Unser Odi» beschert uns Wintermärchen nach Wintermärchen, stopft auch jetzt das Januarloch mit verwegenen Auftritten und macht das Kratzen der gefrorenen Autoscheibe am nächsten Morgen zum beschwingten Akt der guten Laune.

Sein Können, gepaart mit seinem Anstand, seiner Fairness und seiner Intelligenz, sorgt dafür, dass er die Herzen im Sturm erobert. Ein Traumschwiegersohn aus der Innerschweiz auf einem Schweizer Ski, der den «Jodlerwirt» als Stammkneipe hat und zwischendurch mal auf der Theke tanzt. Mehr Swissness geht gar nicht.

Und es gibt auch niemanden, der diesem Odermatt sein mittlerweile fürstliches Gehalt nicht gönnen mag. Denn auch finanziell stösst der Mann vom Vierwaldstättersee mit einem Einkommen zwischen 4 und 5 Millionen Franken in neue Dimensionen vor. Das ist mehr als der gesamte Bundesrat zusammen verdient.

Mitten in diesem Winterzauber überschlagen sich die Superlative und Lobeshymnen. Selbst Bernhard Russi, der oberste Vertreter des Schweizer Skirennsports, schiebt jede Zurückhaltung zur Seite. «Im Moment reiten wir auf der Höhe anderer Weltsportarten wie Tennis, Golf oder American Football», schreibt er.

Das ist eine etwas verwegene These aus dem Pulverschnee des Urserentals, der Heimat Russis. Allein der Super Bowl sorgt jährlich für eine Wertschöpfung im zweistelligen Milliardenbereich. 30 Sekunden Werbung kosten da so viel (8 Millionen) wie das Jahresbudget der Lauberhornrennen.

Wenn man also von weissen Rockstars spricht, dann muss man präzisieren. Es sind immer noch Alpenrockstars. So wie der selbst ernannte Alpenrocker Andreas Gabalier. Mit dem ist ein Marco Odermatt allenfalls zu vergleichen. Gabalier ist bei der WM 2015 in Vail auf einer grossen Bühne aufgetreten. Vor einigen Dutzend Zuschauern. In den USA kennt Gabalier niemand.

Man darf den derzeitigen weissen Budenzauber der Schweizer geniessen. Aber der Skisport steht trotz allem vor grossen Herausforderungen. Peter Schröcksnadel, langjähriger Boss des österreichischen Verbands und Besitzer mehrerer Skigebiete, negiert zwar in einem Interview mit der «NZZ» den Klimawandel und kann sich vermehrt Rennen in Skihallen vorstellen.

Aber es gibt auch andere Herausforderungen. Mehr als die Hälfte aller Schweizer Jugendlichen haben einen Migrationshintergrund. Bringt man diese jungen Menschen in den nächsten Jahren aktiv oder passiv zum Schnee und zum Skisport?

In den 80er-Jahren gab es am Lauberhorn schon TV-Quoten von 1,5 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauern. Damals hatten wir eine 6-Millionen-Schweiz. Dieses Jahr feiert man eine «Traumquote» von 1,13 Millionen. Aber mittlerweile haben wir eine 9-Millionen-Schweiz. Die simple Rechnung: Wäre das Interesse gleich gross wie in den 80ern, müssten bei Odis Siegesfahrt weit mehr als 2 Millionen vor dem TV mitgejubelt haben.

Aber man soll jetzt die Feste feiern, wie sie fallen. Vor allem, wenn man nicht weiss, wie lange die Partystimmung anhält.

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