Übrigens – die SonntagsBlick-Kolumne
Die Plage der Fussball-Experten

Auch im Fussball haben die «Experten» die Deutungshoheit übernommen. Die Kolumne von Reporter Felix Bingesser.
Publiziert: 09.04.2023 um 13:45 Uhr
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Aktualisiert: 09.04.2023 um 13:46 Uhr
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Julian Nagelsmann wurde als Trainer bei Bayern entlassen – Experten äussern ihre Meinung dazu.
Foto: Getty Images
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Felix BingesserReporter Sport

Zeitpunkt und Stil der Entlassung von Trainer Julian Nagelsmann ist auch für die Bayern eine neue Stufe von Hollywood. Und ruft natürlich, wie könnte es anders sein, die «Experten» auf den Plan.

Jeder kriecht aus dem Busch. Und gibt eine «Expertise» ab. Weil sich die Klubbosse und Spieler immer mehr abkapseln und selten Interviews geben, analysieren praktisch nur noch die «Experten».

Also die ehemaligen Stars, die nichts mehr zu verlieren haben, die kein Blatt vor den Mund nehmen, die verzweifelt noch etwas vom Rampenlicht ins Alter retten wollen. Poltern, um im Gespräch zu bleiben, ist längst zum Geschäftsmodell geworden.

Experten kein Phänomen des Fussballs

Auch Lothar Matthäus gehört zu den Experten. Und hat zur Nagelsmann-Entlassung eine klare Meinung. Wie zu allen Vorgängen im Fussball. Unabhängig davon, dass Loddar nach seiner Aktivkarriere immer über seine eigenen Füsse gestolpert ist, wenn er operativ Verantwortung übernommen hat.

Matthäus jedenfalls weiss, wie man die Nagelsmann-Entlassung stilvoll hätte orchestrieren müssen. «Dann fährt man nach Südtirol und redet mit ihm.»

Nun weiss man ja, dass Nagelsmann im Zillertal zum Skifahren war. Und Loddar im Geografie-Unterricht in der Grundschule im bayrischen Erlangen wohl nicht genau aufgepasst hat. Das Zillertal hat mit dem Südtirol so wenig zu tun wie Mailand mit Madrid. «Hauptsache Italien», würde Andy Möller dazu sagen.

Ja, diese Experten. Sie sind kein Phänomen des Fussballs. Sie treiben auch in der Politik und in der Wirtschaft und im täglichen Leben an den Stammtischen ihr Unwesen. Und referieren in nostalgischer Verklärung darüber, wie besser doch früher alles gewesen ist.

Retro-Videos auf Facebook

Wenn man in die Jahre kommt, dann wird man beispielsweise auf Facebook, der Social-Media-Plattform der Alten, mit Retro-Videos belästigt. Dort wird dann wehmütig zurückgeblickt. Wie toll die Jugend früher war. Wie viel besser die Mode und die Musik im Vergleich zum heutigen Schrott war. Wie man nur draussen gespielt hat, statt nur auf das Handy zu starren.

Was früher alles schiefgelaufen ist (und es war vieles) wird ausgeblendet. Dass ein grosser Teil der jungen Menschen aufgeklärter, bewusster, toleranter und sozialer unterwegs ist als früher ebenso. Zu behaupten, alles wäre heute gut, ist blauäugig. Aber zu behaupten, dass früher alles besser gewesen ist, das ist die verklärte Nostalgie der Alten. Die Expertokratie der Grauen Panther.

Darum wäre es auch mal schön, die vielen Fussball-Experten würden sich an den wenig dynamischen «Standfussball» der 80er Jahre erinnern. Aber bei diesem Thema steckt Matthäus den Sand lieber in den Kopf, wie er einst dampfgeplaudert hat.

Welche Eier legen uns die Fussball-Experten an diesem Wochenende ins Nest? Wer poltert heute auf welchem Kanal? Vielleicht sollten sich die Experten an Fredi Bobic erinnern. «Man sollte nicht alles so schlecht reden, wie es war», hat er einst analysiert.

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