Der legendäre Südtiroler Freiheitskämpfer Andreas Hofer aus dem Passeiertal dürfte stolz vom Himmel herunterschauen, wenn er in diesen Wochen das Fussballwunder des FC Südtirol mitverfolgt. Ausgerechnet im Fussball, dem Nationalsport der Italiener, proben die aufmüpfigen Bergler den Aufstand.
Bereits der erstmalige Aufstieg im letzten Sommer in die Serie B ist wundersam. In einer Region, in der ansonsten nur Wintersportler von sich reden machen. Beispielsweise die Skisport-Legende Gustavo Thöni, die Eiskunstläuferin Carolina Kostner oder der Rennrodler Armin Zöggeler, der bei sechs Olympischen Spielen in Serie eine Medaille gewonnen hat.
Aber jetzt wird im Süditrol über Fussball geredet. Das kleine schmucke Drusus-Stadion in Bozen, benannt nach dem römischen Heerführer Nero Claudius Drusus, ist mit seinen 5500 Plätzen immer ausverkauft, wenn der FC Südtirol antritt. Dem 1974 gegründeten Klub ist es bereits mit dem sensationellen Aufstieg in die Serie B gelungen, den Fussball im nördlichen Zipfel des Landes zum Integrationsprojekt zu machen. Das Team von Trainer Pierpaolo Bisoli mischt die Liga gehörig auf. Und klopft mittlerweile ziemlich laut an die Pforte zur Serie A.
Der emotionale Bisoli übernimmt das Team im letzten August, nachdem die ersten drei Saisonspiele verloren gegangen sind. Seither passiert Wundersames. Im Jahr 2023 ist die Mannschaft noch ungeschlagen und ärgert die Teams aus Genoa, aus Cagliari, aus Parma oder aus Venedig. Mit dem kleinsten Budget der Liga, mit einer namenlosen, in den letzten Jahren aber zu einer verschworenen Einheit gewordenen Equipe.
Und mit einer Taktik, die ein wenig an die Zeiten des Catenaccio erinnert. In den 60er-Jahren hat der argentinische Trainer Helenio Herrera mit diesem Abwehrriegel mit Inter Mailand drei Meistertitel gewonnen. Erfunden aber hat dieses Defensiv-Bollwerk der Österreicher Karl Rappan, der mit der Schweizer Nationalmannschaft und mit den Grasshoppers ebenfalls viele Erfolge feierte.
«Wir verfolgen diesen Südtiroler Fussballtraum von Woche zu Woche und denken jedes Mal, dass wir bald aufwachen», sagt Otto Schöpf. Schöpf ist Ressortleiter Sport bei der «Dolomitenzeitung». Symbol für dieses Wunder ist für ihn der Kapitän Fabian Tait. Tait ist seit Jahren ein Urgestein des Südtiroler Fussballs. Der Marktwert des Mannes, der bei der Musikkapelle in Salurn das Waldhorn spielt, ist mittlerweile im sechsstelligen Bereich angekommen.
Sollte gar der sensationelle Aufstieg in die Serie A gelingen, dann gibt es viele Fragen. Im kleinen Drusus-Stadion wird man kaum spielen dürfen. Aber in Bozen denkt man noch nicht so weit. Noch immer hängen in der Kabine die Wettquoten des letzten Sommers. Dort ist der FC Südtirol als Abstiegskandidat Nummer 1 geführt.
In Südtirol gibt es immer noch Menschen, die würden sich lieber wieder Österreich anschliessen oder unabhängig sein. Jetzt lassen sie die Muskeln halt im Fussball spielen.