Nur schon das Wort tönt hart: Ironman. «Eiserner Mensch», wörtlich übersetzt. Und tatsächlich: Wer sich ein Ironman nennt, ist sich Schmerzen gewohnt – egal ob Profi oder Amateur. Fast vier Kilometer schwimmen, 180 Kilometer Rad fahren und zum Abschluss ein Marathon (42,195 Kilometer). Allein die Zahlen sind furchteinflössend.
Umso mehr Gründe hätte Jan van Berkel im Oktober 2019 gehabt, seinen Rücktritt bekannt zu geben. Er war 33 Jahre alt, war gerade Elfter geworden beim legendären Ironman Hawaii – sein Bestresultat auf Kona. Zuvor hatte er seinen Titel als «König von Zürich» beim Ironman Switzerland bestätigt. Dazu kommt, dass seine Frau Sarah (Eiskunstlauf-Europameisterin 2011) hochschwanger war, dunkle Corona-Wolken aufzogen und er durch seinen Sport nicht reich wird.
Gute Gründe für den Rücktritt
Van Berkel, studierter Jurist mit angehängter Sportrecht-Weiterbildung, hätte also locker alles ruhiger angehen lassen können. Schluss mit den Schmerzen, Schluss mit der Schinderei, Schluss mit den harten Trainings fernab der Familie. «Stimmt, es hätte einige Gründe gegeben, um zurückzutreten», sagt er schmunzelnd. Warum tat er es nicht? «Ich will gut sein in meinem Sport. Weil ich es kann und weil ich es will.»
Und tatsächlich: Wer van Berkel an diesem April-Tag im Windkanal von Immenstaad am Bodensee erlebt, zweifelt keinen Moment daran, dass er für seinen Beruf brennt. Inmitten der ETH-Techniker von Swiss Side pröbelt er stundenlang an der aerodynamisch besten Position auf seinem Rad. Die Temperatur in der futuristischen Röhre ist 10 Grad kühl. Dies, weil die Luft von draussen angesaugt und ihm mit 45 km/h entgegengeblasen wird. «Es war wirklich kalt. Aber solche Tests sind Gold wert, also lasse ich mir da nichts anmerken», sagt er.
Sein Ziel: Die Quali für Hawaii
Nun könnte man meinen: Bei etwa acht Stunden Wettkampf kommt es doch nicht auf winzige Verbesserungen in der Position auf dem Rad an. «Könnte man denken», so van Berkel. «Aber als ich das letzte Mal hier war, tüftelten wir vor allem am perfekten Helm. Hätte ich ihn schon ein Jahr früher gehabt, wäre ich in Hawaii zwei Plätze weiter vorne gelandet.»
Diesmal geht es im Windkanal nicht mehr um den Helm, sondern um die Position der Arme und Hände auf dem Rad. «Wir haben den für mich perfekten Lenker gefunden. Wobei gefunden falsch ist. Ich liess ihn mit einem speziellen 3D-Karbondrucker ausdrucken.»
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Wofür das alles bei seinem ersten Wettkampf seit 19 Monaten reichen wird? In Tulsa (USA) will der 35-Jährige die Quali für Hawaii schaffen. Vier Plätze gibt es zu holen. «Einige sind schon qualifiziert, ich müsste also etwa Achter werden. Das traue ich mir zu.»
Sohn Tim macht ihn stark
Dem Wahl-Aargauer ist bewusst, dass Technik und Material wichtig sind. Aber er weiss genau, dass Körper und der Kopf genauso parat sein müssen. «Bei jedem Triathlon gibt es dunkle Ecken. Der Körper bettelt dann, endlich langsamer zu schwimmen, zu fahren oder zu rennen. Aber ich muss bereit sein, diese Hilferufe zu ignorieren.»
Auch wenn er nicht vor Ort ist: Van Berkels Sohn Tim (eineinhalb Jahre) ist für ihn eine besondere Motivation. Dieser macht sich einen Spass daraus, am Schoggi-Recovery-Shake seines Daddys zu nuckeln. «Das ist doch herrlich. Dank Tim weiss ich: Mein Beruf ist wichtig, aber es gibt bei weitem Wichtigeres. Das gibt mir eine innere Ruhe.»