Sind im Spitzen- oder Leistungssport Eltern direkt in der Karriere ihrer Kinder involviert, löst das bei so manchem Beobachter zunächst einmal eine gewisse Grundskepsis aus. Wie stehts um den familiären Druck, der auf dem Kind lastet? Wird es zu arg gepusht? Kann das auf Dauer funktionieren? Céline Naef und ihre Mutter Sandra begegnen diesen Fragen gelassen. Als Blick sie unabhängig voneinander darauf anspricht, müssen beide erst einmal schmunzeln. «Ich bin froh, mein Mami bei mir zu haben», sagt Céline. «Niemand kennt mich so gut wie sie».
Aber klar, die Doppelrolle ihrer Mutter und Trainerin sei schon «speziell», meint die bald 19-Jährige, die im Vorjahr bei ihrer Wimbledon-Premiere (Out in Runde 1) erstmals auf allerhöchster Tennis-Stufe angeklopft hatte. Sie spricht von einer «grossen Herausforderung», aber auch einem «grossen Vorteil»: «Meine Mutter ist offen und neugierig, will alles verstehen. Darin steckt eine enorme Energie. Sie liebt, was sie macht. Das spürt man jeden Tag. Wir entwickeln uns gemeinsam weiter und werden besser. Aber es ist manchmal auch nicht so einfach, den Tennis-Tag zu Hause abzuschliessen.»
Ihr sei «ein gewisser Freiraum» sehr wichtig – und entscheidend sei hierbei auch «eine gute Kommunikation», sagt das Talent im Teenie-Alter, das mit seinen Aussagen schon ein paar Jährchen älter und reifer wirkt.
Mama Sandra meint derweil, das Duo sei vergleichsweise glimpflich durch die Teenager-Zeit gekommen. Sie verstünden sich gut, auch wenn Reibereien hin und wieder dazugehörten. Sie erklärt: «Die Konstellation ist für uns beide herausfordernd. Céline kann das Profi-Leben besser ablegen als ich. Mein Computer fährt nie ganz runter.» Und weiter: «Hier reift ein Kind zu einer jungen Frau, die das Bedürfnis hat, sich abzunabeln. Wir üben uns beide im Loslassen. Es ist eine Mischung aus Verständnis und Konsequenz.»
«Da bleibe ich hartnäckig»
Auf der Tennis-Tour würden die beiden die Freizeit teilweise bewusst getrennt gestalten: «Céline geht dann beispielsweise in Melbourne mit den anderen Schweizerinnen abendessen oder einfach in die Stadt. Oder sie schläft während Trainingsblocks in Biel, während ich separat für mich schaue.» Was den Freiraum anbelangt, gibt sich die ausgebildete Trainerin entspannt. Dem sei auch im Training so, wobei sie hier «stets ein Auge auf die Intensität und die Qualität» habe: «Da bleibe ich hartnäckig auf dem Ziel.»
Einen hohen Qualitätsanspruch hat allerdings auch ihre Tochter. Die in Feusisberg SZ wohnhafte Zürcherin gilt als akribische Arbeiterin – und im Match als Kämpferin. «Sie ist eine echte Löwin», sagt Alessandro Greco, Leiter Spitzensport bei Swiss Tennis. Darauf angesprochen, meint Céline lachend: «Damit kann ich mich gut identifizieren.»
Wer ihre Partien verfolgt, merkt auch schnell: Da ist viel Temperament mit im Spiel. Und jede Menge Talent. Auch Billie-Jean-King-Cup-Captain Heinz Günthardt (65) hält grosse Stücke auf Naef. Er absolviert regelmässig Trainingsblöcke mit der aktuellen Weltnummer 171 – und erklärt: «Céline verfügt in spielerischer und athletischer Hinsicht über alle Anlagen, die es braucht. Jetzt muss sie nur noch lernen, ihr Potenzial ganz auszuschöpfen.»
Beim WTA-125-Turnier in Saint Malo (Fr) Anfang Mai etwa hat sie gezeigt, was in ihr steckt: Naef schlug mit der Lokalmatadorin Clara Burel erstmals eine Top-50-Spielerin. Andere Male aber bekam sie auch die knallharte Seite der Tour zu spüren, als sie bei kleineren Events schon in Runde eins rausflog. Und an den Australian Open sowie in Roland Garros blieb sie in der Quali hängen.
Doch die Experten sind sich einig: Ihr junges Alter und ihr Potenzial sprechen für die 1,67 m grosse Tennis-Hoffnung. Swiss-Tennis-Fitnesstrainer Beni Linder glaubt, dass Naefs körperliche Fortschritte mitentscheidend sein werden: «Athletisch ist sie schon sehr weit. Da hat sie meiner Meinung nach schon das Niveau einer Top-10-Spielerin.»
«Céline darf ruhig gross träumen»
Mit Günthardt und Mama Sandra arbeitet Céline Naef nun an den spielerischen Finessen und an ihrer Mentalität. «Druck mache ich mir aber keinen. Ich glaube, wer gut arbeitet, wird früher oder später ohnehin belohnt», so die Rechtshänderin. Und Mutter Sandra sagt: «Céline darf ruhig gross träumen. Wir stecken unsere Energie aber vor allem in die Gegenwart – und sehen das Ganze als Reise an.»
Und zwar als Reise im Familien-Unternehmen, bei dem auch Papa Ronald und Célines kleiner Bruder Nicolas eine wichtige Rolle spielen. Als Ruhepole nämlich. Céline sagt: «Wir können uns leider nicht immer sehen. Doch die Familie ist für mich das Allerwichtigste. Sie gibt mir Kraft und Energie. Ich finde es unglaublich schön, zu sehen, wie stolz sie auf mich sind.»
Und das werden sie bestimmt auch sein, sollte sie diese Woche in Wimbledon wie im Vorjahr die Quali überstehen.