«Sorry Sir, nur Gäste dürfen das Spiel von Roger Federer sehen!» Die wenigen Mutigen, die am Dienstag beim Empfang des Genfer Tennisclubs Eaux-Vives ohne den richtigen Zauberspruch auftauchten, hatten keine Chance, eingelassen zu werden. Andere Abenteuerlustige versuchten zwischen den Bäumen im Park hindurch einen Blick auf den Meister zu erhaschen. Sie wurden schnell von den Sicherheitsleuten verjagt.
Die Rückkehr von Federer auf Sand zu erleben, sein erstes Mal in der Westschweiz auf der ATP-Tour, war etwas, das nur den Privilegierten vorbehalten war. Nur etwa hundert von ihnen konnten ihre Plätze in den Genfer Logen einnehmen – eingeladen durch Sponsoren des Turniers.
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Unter ihnen war Anne Fleur und ihr Mann Jean-Pierre. Sie wurden von der Familie Gonet, die mit ihrer Privatbank Namenssponsor des Turniers ist, eingeladen. «Wir sind den ganzen Weg von Valence in Südfrankreich hergekommen», sagte Anne Fleur. «Wir alle hoffen ja, dass Roger noch lange spielen kann. Aber wir wissen auch, dass die Gelegenheiten, ihn zu sehen, immer seltener werden.»
Zuschauer reisten aus Frankreich an
Die Franzosen hatten Recht. Denn Federer wird in dieser Woche nur ein Match in Genf spielen. Pablo Andujar siegte in drei Sätzen gegen den Baselbieter (6:4, 4:6, 6:4). Der Spanier, der auf Platz 75 der Weltrangliste steht, freute sich, zum ersten Mal in seiner Karriere gegen die Legende anzutreten. «Davon könnte ich meinen Enkeln erzählen», sagte er am Montag in einer Pressekonferenz. Seine Geschichte wird noch spannender sein, wenn er ihnen erzählen kann, wie er den Lokalmatador zur Strecke gebracht hat.
«Leider habe ich mich schwer getan, ins Spiel zu kommen», sagte Roger Federer. Seine 40-prozentige Aufschlagquote im ersten Satz gab ihm Recht. «Danach hatte ich zu viele Hochs und Tiefs. Das war bei meiner Rückkehr zu erwarten und mein Gegner war stabiler. Ich habe es nicht verdient zu gewinnen.»
Der Schweizer hatte im dritten Satz das Heft in die Hand genommen und 4:2 geführt, bevor er die letzten vier Spiele des Matches verlor. Vielleicht haben ihm in diesem Moment auch die Fans gefehlt.
Interclub-Atmosphäre bei Federer
Erst als sich der 39-Jährige am Rande des Abgrunds befand, meldeten sich die Genfer VIPs zaghaft zu Wort, um ihn zu ermutigen. Die Atmosphäre in Eaux-Vives war so gedämpft, dass man die Vögel zwischen den Punkten singen hörte. Der Sport ist seit Beginn der Pandemie einige seltsame Szenen gewohnt, aber Roger Federer in einer Interclub-Atmosphäre spielen zu sehen, war etwas surreal.
Die aktuelle Weltnummer 8 genoss ihren Aufenthalt in dem prachtvollen Club und dessen idyllischer Umgebung. Federer schien sich wie zu Hause zu fühlen. Umso enttäuschter ist er über die frühe Niederlage – es scheint fast mehr für die Genfer, als für sich selbst: «Es tut mir im Herzen weh, dass ich nicht mehr Chancen habe, hier zu spielen», sagt er. «Vorallem für das Turnier tut es mir leid, ich glaube, die Leute haben sich gefreut, mich hier zu sehen. Ich hätte es gerne den Zuschauern und den Veranstaltern recht gemacht.»