Auf einen Blick
- Sinner trotzt Handverletzung bei Final-Einzug
- Diskussion um seinen positiven Doping-Befund begleiten ihn
- Taylor Fritz erreicht als erster Amerikaner seit 2009 einen Grand-Slam-Final
Jannik Sinner (23) reckt beide Arme in die Höhe, lässt sich von seinem Halbfinalgegner und Kumpel Jack Draper (22) zum Endspieleinzug gratulieren – und vergisst für einen Moment, dass er sich im Spiel bei einem blöden Sturz an der linken Hand verletzt hat. Später sieht man auf TV-Bildern, wie der Südtiroler beim Ausradeln im Fitnessraum einen dicken Eisbeutel um das Handgelenk gebunden hat. Sinner scherzt gut gelaunt mit seinem Team und Freundin Anna Kalinskaya (25, out in Runde drei). Die Schmerzen an der Hand steckt er im Wissen, gerade den zweiten Grand-Slam-Final seiner Karriere erreicht zu haben, scheinbar gut weg. Aber diese Hand ist gleichzeitig auch nichts im Vergleich mit dem Doping-Wirbel, der ihn seit kurz vor Beginn der US Open begleitet.
Der Australian-Open-Sieger dieses Jahres war im März zweimal positiv getestet worden, er schaffte es jedoch, sowohl eine Sperre zu umgehen als auch eine Veröffentlichung des Falles zu verhindern. Zumindest bis Ende August, als die Tests zusammen mit dem Freispruch eines unabhängigen Gerichts an den Tag kamen. Dies wiederum löste eine riesige Debatte darüber aus, ob die Weltnummer eins eine Vorzugsbehandlung genossen hatte. Andere Tennis-Stars, wie etwa Nick Kyrgios (29), monierten eine unfaire Handhabung im Vergleich zu früheren Fällen, bei denen Spielerinnen oder Spieler positiv getestet und daraufhin gesperrt wurden.
Roger Federer (43) erklärte derweil in der NBC-Sendung «Today»: «Ich denke, wir alle vertrauen so ziemlich darauf, dass Jannik nichts getan hat. Aber die mögliche Unstimmigkeit, dass er nicht aussetzen musste, während sie nicht zu 100 Prozent sicher waren, was los ist – ich denke, diese Frage muss beantwortet werden.»
Sinners Reaktion auf den verbalen Hurrikan? Er beantwortete die Fragen der Journalisten an der ersten Pressekonferenz auch dann weiter, als der Moderator schon früh und fragwürdig erklärte, es sei schon alles zu diesem Thema gesagt. Er meinte: «Ich weiss, dass ich nichts falsch gemacht habe.»
Vor allem aber lässt er sich seit der ersten Runde sportlich nichts anmerken. Nicht nur, dass er bereits seit Monaten mit den Dopingtests im Hinterkopf weiterspielte und in dieser Zeit gar erstmals den ATP-Thron erklomm – er zeigt sich auch in New York trotz des immensen öffentlichen Drucks unbeeindruckt. Während Djokovic, Carlos Alcaraz (21) und Alexander Zverev (27) früh scheitern, zieht er eiskalt in den Final ein und ist dort der grosse Favorit. Handblessur und Doping-Wirbel hin oder her.
Fritz schreibt Geschichte – und schöpft endlich sein Potenzial aus
Eiskalt? Das ist auch sein Gegenüber, Taylor Fritz (26). Zumindest seit Neustem. Auch der Amerikaner – er ist der Erste in einem Grand-Slam-Final seit Andy Roddick (42) 2009 in Wimbledon – hat eine lange Phase des enormen Drucks hinter sich. Er ist in Flushing Meadows einmal mehr als einer der grossen US-Hoffnungsträger an den Start gegangen. Vor allem aber ist die Erwartungshaltung an sich selbst noch einmal massiv höher als jene von aussen, wie er nach dem Halbfinalerfolg gegen Landsmann Frances Tiafoe (26) erneut erklärt hat.
Seine Freundin Morgan Riddle (27) hat kürzlich eine Notiz von Fritz aus dem Jahr 2021 gepostet, die er in ihr Handy getippt hatte. Darauf schrieb er nach seinem Drittrunden-Aus: «Niemand auf der Welt bleibt so unter seinem Niveau wie du. Du bist so verdammt gut, aber nur die Nummer 40 in der Welt. Reiss dich zusammen.» Nun hat er es in New York mit seinem ersten Grand-Slam-Final allen – und vor allem sich selbst – gezeigt. Beste Voraussetzungen, um auch gegen Sinner cool zu bleiben.