Die letzten Worte von Günthardt und Bürer am SRF-Mikro
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«Tschau zäme, machets guet»:Die letzten Worte von Günthardt und Bürer am SRF-Mikro

Schluss, aus, vorbei mit Bürer/Günthardt am TV
«Wir sind ein Kommentatoren-Duo auf Zeit, aber Freunde auf Lebzeiten»

«Ciao zäme, machets guet.» Die Tennis-Stimmen von Stefan Bürer und Heinz Günthardt verstummen bei SRF. Wer um 1 Uhr morgens noch wach war, hörte zwei emotionale Freunde Abschied nehmen.
Publiziert: 13.09.2021 um 10:33 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2021 um 14:05 Uhr
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Stefan Bürer und Heinz Günthardt haben für SRF auskommentiert.
Foto: Sven Thomann
Cécile Klotzbach

Am Abend vor ihrem letzten gemeinsamen Einsatz erzählt das legendäre Kommentatoren-Duo, was ihnen von rund 30 Jahren beim TV bleibt. Aber auch, welche Wünsche unerfüllt blieben, wie mulmig ihnen beim Endspurt war und wie ihre Zukunft aussehen wird.

Der Countdown läuft, Sie kommentieren den letzten Männer-Match zusammen...
Günthardt:
Wir werden selbstverständlich noch im hohen Alter bei der Clubmeisterschaft in Rapperswil am Tisch sitzen und das Geschehen unter uns kommentieren.
Bürer: Das hast du mir noch gar nicht gesagt… Sie bezogen die Frage wohl aufs TV. Ganz ehrlich, es ist schwierig. Mir wird hoffentlich auch spontan was in den Sinn kommen, aber vielleicht schreibe ich mir sogar zum ersten Mal im Leben ein paar Sätze auf.
Günthardt: Zum Glück läuft das spät nachts, dann sehen und hören es nicht mehr all zu viele Leute…
Bürer: Es wird sicher noch ein paar Mal in der Wiederholung gezeigt.
Günthardt: Stefan wird das letzte Wort haben, wie immer…
Bürer: So steht es in der Jobbeschreibung.
Günthardt: Ich weiss, dass ich nicht gross überlegen muss. Es ist mir ein Bedürfnis, gewissen Leuten zu danken. Nicht namentlich, damit ich nicht Gefahr laufe, jemanden zu vergessen. Im Team Fernsehen zu machen ist so cool, das werde ich vermissen. Aber meine letzten Worte richten sich an Stefan: Wir sind ein Kommentatoren-Duo auf Zeit, aber Freunde auf Lebzeiten. Darum sage ich ihm auch nicht Adieu.

Und so kommt es dann auch live «On Air». «Stefan, du bist ein Glücksfall für mich, weil es mit dir auch ein elfstündiger Kommentar nicht langweilig wird», sagt Günthardt, nachdem er den Zuschauern für ihr Treue und dem TV-Team für seine verlässliche Arbeit hinter den Kulissen dankt. Zum Glück habe er tatsächlich erstmals in seiner Karriere etwas notiert, sonst brächte er die Sätze nicht auf die Reihe, antwortet Stefan Bürer gerührt. «In 26 Jahren habe ich unendlich viel gelernt von dir, auch fürs Leben. Danke, danke, danke.»

Wie haben Sie die letzten zwei Wochen im Studio erlebt?
Günthardt:
Ich habe in der letzten Tagen sehr viel nachgedacht – beim Pendeln in den Staus um Zürich gabs auch viel Zeit dazu. Es ist ständiges Hin und Her der Gefühle. Einerseits: «War das schön!» Andererseits frage ich mich, was im bevorstehenden Lebensabschnitt auf mich zukommt? Mal fühle ich mich wirklich gut, mal komme ich mir ein wenig verbraucht vor. Ich bin jetzt 62 Jahre alt, kümmere mich in letzter Zeit viel um Pensionskasse und AHV. Wieviel Energie und Lust habe ich überhaupt noch, etwas anderes zu machen?

Gibt es konkrete Pläne?
Günthardt:
Im November findet mit Swiss Tennis der Fed Cup, also neu der Billie Jean King Cup statt. Darauf freue ich mich sehr, vor allem mit meinem bestehenden Team. Nicht nur, weil Bencic, Golubic, Teichmann und Co. so gut sind, sondern weil wir wirklich ein tolles Teamgefüge haben, mit dem wir nicht so leicht zu schlagen sind. Des weiteren habe ich bereits neue Angebote bekommen.

Die wären?
Günthardt:
Zum einen von einer Universität für Vorträge vor Studenten übers Coaching – aber ich weiss noch nicht, ob das was für mich wäre. Zum anderen meldete sich der Streaming-Sender «Tennis Channel» bei mir. Ich soll dort schon nächste Woche die Davis-Cup-Partie Schweiz gegen Estland kommentieren. Das ist in zweifacher Hinsicht erfreulich: Ich kann meine Leidenschaft weiter ausleben, und der Davis Cup, der bei SRF nicht einmal online gezeigt wird, kann dort gesehen werden.

Bei dem US-Kanal sind Sie in guter Gesellschaft – dort kommentieren u.a. Martina Navratilova, Paul Annacone, Lindsay Davenport...
Günthardt: Sie haben ein europäisches Fenster für die Schweiz, Österreich und Deutschland. Das Interessante: Ich kann von überall kommentieren – auch von zuhause aus dem Wohnzimmer, nächstes Wochenende also aus Monte Carlo. Klar, es ist nur ein Online-Dienst. Aber das ist neu, die Zukunft, mit einem jungen und begeisterungsfähigen Team – das motiviert natürlich auch mich.

Zurück zum Leutschenbach. Stefan Bürer, waren Sie mit dem Kopf noch voll hier, oder schon bei Ihrem neuen Job als Kommunikationschef von Rapperswil-Jona?
Bürer:
Gedanklich habe ich mich bereits stetig von SRF verabschiedet. Darum konnte ich die US Open aber völlig neutral angehen. Ich habe gar nicht so viel darüber nachgedacht, dass es das letzte Mal ist, habe einfach wie immer meinen Job gemacht. Dann kam der letzte Mittwoch…

Da verlor Belinda Bencic.
Bürer:
Und das ist mir eingefahren! Da habe ich realisiert, dass ich jetzt zum letzten Mal einen grossen Schweizer Match kommentiert habe. Seitdem bin ich doch etwas melancholisch. Hätte Belinda in New York gewonnen – das habe ich insgeheim fest erhofft – es wäre der perfekte Abschluss gewesen. Wobei auch fast ein wenig kitschig und «too much»…

Immerhin war der Frauen-Final auch ohne Bencic eine tolle Story.
Bürer:
Natürlich, der war ganz besonders. Wir haben ja immer gesagt, dass im Frauen-Tennis alles offen ist. Aber auf Emma Raducanu und Leylah Fernandez wäre wohl niemand vorher gekommen.
Günthardt: Die beiden spielten so unbeschwert und intuitiv – genau so sollte Frauentennis sein! Die Art und Weise, wie sie instinktiv an die Sache gingen, war so erfrischend und hat es den Gegnerinnen schwer gemacht. Aber je älter sie werden, desto mehr denken sie eben nach...

Haben Sie schon auf das Ende der Ära angestossen?
Bürer:
Wann, mitten in der Nacht? Da verschwinden wir in der Tiefgarage und fahren nach Hause. Am Montag sind wir dann wieder im Haus für Interviews bei SRF1, SRF3 und einem Abschieds-Auftritt bei Glanz&Gloria. Danach gehen wir sicher zusammen Abendessen und lassen das ganze ausklingen.

Welches Gefühl dominiert, wenn sie jetzt hinter sich den Turm von SRF sehen?
Günthardt:
Das Gebäude sagt mir gar nichts. Es sind die Leute darin, die mir fehlen werden.
Bürer: Genau, ich habe in den letzten Tagen Rundgänge durch die Etagen gemacht und mich von vielen verabschiedet. Mein Gefühl dabei? Der Schluss war nicht ganz so, wie ich ihn mir vorgestellt habe. Corona grätschte uns blöd rein, das hat den Job extrem verändert und darum war ich gegen Ende auch nicht mehr happy damit. Seit eineinhalb Jahren waren wir nirgends mehr vor Ort. Auch die letzten US Open in New York abzudecken, wäre natürlich etwas ganz anderes, viel besseres gewesen.
Günthardt: Zumindest haben sie uns in der Kabine auf einem höheren Stock arbeiten lassen. Ursprünglich wollten sie uns in den Keller schicken, die Kabinen dort seien grösser. Aber da fühlt man sich wie in einem Luftschutzbunker.
Bürer: Unter dem Strich wird das Bild auch mit diesem durchzogenen Ende nicht wahnsinnig getrübt. Es war es eine unfassbar geile Zeit! Ich war 28 Jahre bei SRF, habe 26 Jahre mit Heinz kommentiert – ein Riesen-Privileg. Wir sind Glückskinder, die in diese Ära mit Federer, mit Hingis, mit Wawrinka und Bencic hereingefallen sind. Was wollen wir mehr? Wir waren überall auf diesem Planeten, haben es lustig gehabt, auch viel Blödsinn gemacht, tolle Leute kennengelernt. Es war schlicht eine super Zeit, in der ich meinen Bubentraum leben konnte. Sportlich hatte ich ja keine Chance, auf dem Centre Court in Wimbledon zu stehen… Und jetzt kann ich in Rapperswil wieder etwas machen, das mit Emotionen verbunden ist – ich habe einfach viel Dusel in meinem Leben!
Günthardt: Geht mir ähnlich. Für mich gab es dazu sehr viel Synergien. Beim Kommentieren – mit über 10000 Stunden wohl mehr als jeder andere Kommentator je in diesem Haus – habe ich sehr viel Tennis gesehen und analysiert. Ich war stets am Puls, das half mir beim Coachen. Ich denke, ich bin so frisch, wie zu der Zeit, als ich selbst Tennis gespielt habe. Dazu habe ich gelernt zu kommunizieren, kann besser mit der Sprache umgehen. Dieses Wissen nützt mir mit den Jungen, denen ich bei Swiss Tennis ja noch helfe.

Keine Ressentiments wegen der Kündigung?
Günthardt:
Ich hätte mir ein sanfteres Ausklingen gewünscht, habe mir schon vorgestellt, dass ich nach so langer, offensichtlich nicht mangelhafter Zeit bei dem Sender nach meinem Input gefragt werde. Wie ich es mir fortan vorstelle. Ob ich Lust hätte, gewisse Dinge noch zu übernehmen, wenn ein Schweizer wieder mal weit kommt, oder so. Aber auch ich muss im Grossen und Ganzen sagen, dass ich viel Glück hatte. Apropos: Ohne den früheren, mittlerweile verstorbenen SRF-Kommentator Heinz Pütz wäre ich nie zu diesem Job gekommen, der mir so viel Spass bereitet hat. Er hat mich damals reingeholt und bestens eingeführt.
Bürer: Heinz Pütz war übrigens auch mein Vorgänger, mein Ziehvater beim Fernsehen.

Gibt es noch einen Live-Abschied, z.B. bei Sportpanorama?
Bürer:
Wir wissen von nichts, da müssen Sie unsere Abteilung fragen.

Die letzten drei Stunden sind geschafft. Um 1 Uhr nachts Schweizer Zeit gewinnt der Russe Daniil Medwedew sein erstes Major-Turnier. In drei Sätzen gegen den Serben Novak Djokovic, dem es verwehrt bleibt, als Erster seit 52 Jahren den «Grand Slam» zu schaffen. «Und damit endet auch unsere Reise», leitet Heinz Günthardt zum persönlichen Abschied über. Das letzte Wort hat wie immer Stefan Bürer: «Ciao zäme, machets guet.» Und so soll es auch in unserem Interview sein.

Hätten Sie sich einen speziellen Abschied mit dem Grand Slam von Djokovic gewünscht?
Günthardt:
Es hätte schon was gehabt, eines Tages zurückzublicken und sich daran zu erinnern, dass Djokovic bei unserem letzten gemeinsamen Einsatz Geschichte schrieb. Diesen historischen Moment, verpassen wir nun. Aber natürlich finde ich es auch gut, dass Roger Federer neben Rafael Nadal und Djokovic nun noch mit 20 Major-Titeln gleich aufsteht.
Bürer: Wie oft erzählten wir, dass Rod Laver 1962 und 69 der Letzte war, der den Grand Slam geschafft hat. Dabei bleibt es vorerst. Wir hingegen sind nun Geschichte.

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