Alessandro Greco, so stark wie mit Dominic, Leandro, Jeffrey und Jérôme war die Schweiz noch nie bei den Junioren vertreten. Wer schafft den Durchbruch?
Alessandro Greco: Das ist noch nicht vorauszusagen. Es ist interessant, dass diese vier allesamt komplett eigene Charaktere sind. Sie sind sehr verschieden, gut miteinander befreundet und doch Konkurrenten – das erfordert viel Flexibilität im Umgang. Sicher ist: Eine solche Präsenz ist für die kleine Schweiz in einer so globalen Sportart äusserst aussergewöhnlich. Nur ist damit noch gar nichts erreicht. Ab nächstem Jahr – für Jérôme Kym ab 2022 – spielen sie gegen die ganze Welt. Die Gegner sind 17- bis 37-jährig – und alle wollen das Gleiche wie sie. Wer meint, die Chancen seien nun hoch, die künftige Lücke mit einem neuen Roger Federer zu schliessen, irrt gewaltig.
Sie beziffern die Chance eines Top-Juniors für den Durchbruch gar nur auf 0,5 Prozent. Wie kommen Sie auf diese Zahl?
Das ergab die Statistik. Ich ermittelte mit komplizierten Berechnungen die Wahrscheinlichkeit beim Übergang der Junioren zu den Profis und kam so auf 0,5 Prozent. Diese Erkenntnis ist schon ziemlich brutal.
Und nicht demotivierend für die Spieler?
Ich konfrontiere sie ja nicht explizit damit. Aber diese Statistik ist wichtig, damit klar wird, wie unglaublich lang und schwierig der Weg an die Spitze ist. Damit wir vom Verband die Mittel für eine individuelle, flexiblere Betreuung erhalten und mit den Jungs die Chancen optimieren, die sich ihnen bieten. Und natürlich auch, damit die Öffentlichkeit sensibilisiert ist, dass es sehr viel Glück braucht, wenn sie es bei den Grossen schaffen sollen. Aber letztlich ist es nur eine Zahl. Die Junioren sollten nicht daran gemessen werden, sondern man muss einfach dankbar sein, wenn es klappt.
Stricker und Riedi gehören weltweit zu den Top Ten der Junioren, die zwei anderen liegen knapp dahinter. Sind die Chancen auf Erfolg da nicht grösser?
Doch, durch gleich vier Boys mit dieser Wahrscheinlichkeit haben wir natürlich so gute Chancen wie noch nie. Sie stehen in der Pole-Position. Aber nun dürfen wir beim Übergang zum Profi in der individuellen Förderung der Athleten keine Fehler machen, damit die Wahrscheinlichkeit nicht wieder kleiner wird.
Wie sieht der individuelle Plan für die vier aus?
Kym wird neu eigenständig von Urs Walter gecoacht und trainiert in Winterthur und Zürich. Wie auch Jeffrey von der Schulenburg mit Privatcoach Roman Vögeli. Riedi trainiert mit Yves Allegro und Stricker mit Sven Swinnen vornehmlich in Biel. Der Draht zwischen allen ist nach wie vor sehr gut und sie spielen auch regelmässig zusammen. Aber die Devise «Schweiz gegen den Rest der Welt» zieht nicht mehr. Wir müssen jetzt individuellere Dienstleistungen bringen und diese finanzieren.
Seit 2011 ist der Berner Alessandro Greco (41) Leiter Spitzensport bei Swiss Tennis. Der studierte Betriebswirtschafter, einst selber N3-klassiert, ist für die Organisation, Administration und das Controlling der Abteilung Spitzensport und des Nationalen Leistungszentrum verantwortlich.
Seit 2011 ist der Berner Alessandro Greco (41) Leiter Spitzensport bei Swiss Tennis. Der studierte Betriebswirtschafter, einst selber N3-klassiert, ist für die Organisation, Administration und das Controlling der Abteilung Spitzensport und des Nationalen Leistungszentrum verantwortlich.
Was muss nun passieren, damit es einer der vier schafft?
Sie sollten nicht zu lange auf 15'000er ITF-Turnieren hängen bleiben, sondern Wildcards für grössere Turniere nutzen, Challenger spielen, dort für Exploits sorgen und gute Gegner schlagen. Wie Riedi zuletzt in Kitzbühel, wo er einen Top-100-Spieler schlagen konnte. Nur so werden sie sich das künftig immer mehr zutrauen. Es braucht die Erkenntnis: Geht doch, die anderen kochen auch nur mit Wasser!
Wie erschwerend ist diese Corona-Saison dabei?
Die Zeit nach dem Lockdown war insofern nicht so schlecht, dass sie viel trainierten und der Verband viele Spielmöglichkeiten in der Schweiz präsentieren konnte. Aber für ihr letztes Juniorenjahr hatten sich Leandro, Dominic und Jeffrey insbesondere auf die Teilnahme an den Junioren-Grand-Slams gefreut. Erst recht nach der Erfahrung, die sie in Australien machen durften. Nun hatten sie grosses Pech, dass Wimbledon und die US Open ausfielen. Umso mehr hoffe ich, dass sie jetzt in Paris diese Plattform bestmöglich nutzen. Bei Grand Slams geht es um das Feeling, gegen die besten Spieler anzutreten. Das ist eine ganz wichtige Messlatte für die Jungen.
Wann zeichnet sich ab, wer den Durchbruch am ehesten schaffen könnte?
Ich traue jedem den Durchbruch zu – es sei denn, sie werden durch Verletzungen zurückgeworfen. Grundsätzlich sollte man bis zu drei Jahre investieren – abgerechnet wird erst in vier bis fünf Jahren. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass es Schwankungen gibt. Jérôme spielte schon im Davis Cup, momentan ist Leandro besser. Wir dürfen nicht bei der ersten Krise in Panik ausbrechen, sondern müssen versuchen, sie zu stabilisieren. Eine gute Balance zwischen Vermarktung und nicht zu viel Präsenz in den Medien ist dafür auch wichtig. Letzteres wäre ganz gefährlich für die Entwicklung ihrer Persönlichkeit.
Kann einer wie US-Youngster Sebastian Korda, der 2018 die Junioren-Aussie-Open gewann und jetzt in Paris abliefert, ein motivierendes Beispiel sein?
Sicher, Korda war mit 18 nicht besser als unsere Jungs – sein Beispiel könnte ihr Ziel sein. Korda hat allerdings den riesigen Vorteil, in einer Familie mit grosser Leistungssport-Mentalität aufgewachsen zu sein. Die Eltern waren Tennis-Profis, beide Schwestern gehören zu den weltbesten Golferinnen … Aber solche Geschichten geben Motivation. Sie zeigen: Spielst du gut, kann es auch schnell gehen!