Wimbledon-Wundertüte Belinda Bencic: An welchem Punkt die 26-jährige Ostschweizerin beim dritten Grand-Slam-Turnier des Jahres stehen würde, war auch ihr selbst ein Rätsel. Mit dem Training auf Rasen begann die Weltnummer 14 erst wenige Tage vor ihrem ersten Einsatz. Im Frühjahr war es eine Stressreaktion im Oberschenkel, die sie wochenlang ausser Gefecht gesetzt hatte. Dann gesellten sich nach ihrer zwischenzeitlichen Rückkehr an den French Open und dem Out in Runde eins auch noch Schulterprobleme dazu.
Nun steht sie in Wimbledon in der vierten Runde, fordert dort die Weltranglistenerste Iga Swiatek (22) heraus. Bencic sagt: «Ich muss alles aus einer anderen Perspektive betrachten: Ich bin froh, dass ich überhaupt spielen kann.» Was in ihrem Fall allerdings nicht heisst, dass sie das ohne hohe eigene Erwartungen tut. Sie liebe Herausforderungen gegen Top-Spielerinnen, weil sie da praktisch nur gewinnen könne, betont Bencic.
Ausserdem habe sie ihr «Confidence Level», ihr Selbstvertrauen, noch einmal in die Höhe schrauben können. Einerseits dank ihrer Siege über Katie Swan (24), Danielle Collins (29) und Magda Linette (31). Andererseits aber auch, weil ihr Körper offensichtlich mitmacht: «Ich merke das daran, dass ich plötzlich wieder über mein Tennis nachdenke – und nicht Verletzungen hinterherstudiere.»
Ein Küsschen von den Eltern
Der womöglich wichtigste Grund, weshalb Bencic eine derartige Gelassenheit ausstrahlt, ist wohl aber privater Natur. «Meine Eltern sind hier – das war schon länger nicht mehr der Fall und freut mich sehr», sagt die Olympiasiegerin, die früher lange Zeit (und mit Unterbrüchen) von ihrem Vater gecoacht wurde, sich dann aber abnabelte.
Papa Ivan und Mama Dana sassen in Wimbledon bislang an jedem Spiel in der Box. Immer neben Belindas Freund und Fitnesscoach Martin Hromkovic (41) sowie Trainer Matej Liptak (45). Einzig Bruder Brian (23) fehlt, «weil er arbeiten muss».
Nach dem Sieg über Linette gibts von beiden Elternteilen ein Küsschen auf die Wange, bevors erst in die Garderobe geht – und später dann ins Haus beim Aorangi Park, wo alle zusammen eine Unterkunft gemietet haben. Diese Nestwärme gibt Bencic Halt nach einem schwierigen Frühjahr, das nicht nur von Verletzungen geprägt war, sondern auch von der überraschenden Trennung von Coach Dimitri Tursunow.
Die Familie soll sie nun zur nächsten Höchstleistung pushen. Ein Sieg gegen Swiatek ist Wundertüte Bencic auf ihrer Lieblingsunterlage definitiv zuzutrauen, wäre aufgrund der Vorzeichen aber eine echte Überraschung.