Ganz überraschend war es nicht, aber für das Turnier trotzdem ein Schock. Gestern Abend warf Rafael Nadal (36) das Handtuch, erklärte für den auf heute angesetzten Halbfinal-Knüller gegen Nick Kyrgios forfait. Die Bauchmuskel-Verletzung, die ihn bereits beim Fünfsatz-Sieg im Viertelfinal gegen Taylor Fritz arg handicapierte, liess dem 22-fachen Grand-Slam-Sieger keine andere Wahl. Er sei unter diesen Umständen nicht in der Lage, nochmals zwei Spiele zu gewinnen und in Wimbledon zu triumphieren.
Was für eine Karriere würde Nadal wohl erleben, wenn diese nicht ständig von Verletzungen geplagt wäre? Wie viele Grand Slams hätte er noch mehr geholt? Fragen, die sich viele Nadal-Fans stellen. Trotz seiner vielen Blessuren ist der Mallorquiner aktuell der Major-Rekordhalter und verblüfft mit seinem Willen, alles für den Erfolg zu tun. Das Beispiel von Andre Agassi zeigt aber, wie schmerzhaft das Leben nach der Karriere aussehen kann.
In diesem Jahr wechseln sich Licht und Schatten wieder ab bei Nadal. Sein sehnlicher Wunsch, eine Saison ohne Verletzungen zu verbringen, bleibt ihm verwehrt. Die Grand-Slam-Siege in Melbourne und Paris werden von einer Stressfraktur in der Rippe und den anhaltenden Fussschmerzen wegen des Müller-Weiss-Syndroms begleitet.
Jetzt schmerzt Rafas Bauch
Welchen Preis muss sein Körper zahlen? In Paris konnte Nadal nur wegen täglicher und schmerzhafter Injektionen im Fuss spielen, dazu kamen entzündungshemmende Medikamente. Es gab Tage nach den Spielen, an denen er kaum laufen konnte. Eine Nerven-Behandlung im Fuss nach den French Open verschaffte Abhilfe. Aber wenn es bei Nadal nicht der Fuss ist, streikt das Knie oder, wie jetzt, machen die Bauchmuskeln nicht mit.
In Wimbledon schien es Nadal zunächst so gut zu gehen, wie es ihm gehen kann. Bis der Mittwoch und das Spiel gegen Fritz kam. Der 36-Jährige konnte während Teilen der Partie kaum noch aufschlagen.
Für Vater Sebastian und Schwester Maribel war klar, was er tun musste: «Sie sagten mir, ich solle aufgeben». Aufgeben ist aber nicht im Vokabular Nadals. Er hasse es. Zudem ist es für ihn nichts Neues: «Ich bins gewohnt, Schmerz auszuhalten und mit Problemen zu spielen.»
Auch Agassi hatte chronische Schmerzen
Erinnerungen an Andre Agassi (52, USA) werden wach. Ebenfalls eine Legende des Sports (acht Grand Slams), dessen Karriere und Leben danach von einer unheilbaren Krankheit begleitet wird. Wegen einer Spondylolisthese leidet der US-Amerikaner bis heute an starken Schmerzen im Rücken. «Es ist ein Wirbel-Gleiten, was bedeutet, dass sich ein Wirbel im unteren Teil meiner Wirbelsäule selbständig macht», erklärte er einst.
Dadurch sind Rückenwirbel und Hüftknochen stark abgenutzt. Die lange Tenniskarriere mit Sprints und Stop-and-Go war hierbei nicht förderlich. Agassi konnte auf seiner Abschiedstour nur dank Injektionen in den Rücken halbwegs spielen. Selbst einfache alltägliche Tätigkeiten wie Duschen glichen einer Tortur.
Gesundheit das Wichtigste
Nadal hat derweil am Donnerstag entgegen seinem Naturell doch noch die Notbremse gezogen. Aber auch gleich verkündet, dass er nicht mit einem längeren Ausfall rechne. Ein Ende des Leidens ist beim Spanier somit bis auf Weiteres nicht in Sicht.