Sie liebt mich, sie liebt mich nicht. Ich liebe ihn, ich liebe ihn nicht – wer hat nicht schon einmal als Kind versucht, mit Blütenziehen eine Antwort auf eine dieser fundamentalen Fragen zu bekommen. Das Schöne daran: Wenn die Antwort nicht befriedigend ist, kann man immer eine neue Blume nehmen und es nochmals versuchen.
Wenn es um Nick Kyrgios geht, will mir diese Methode nicht weiterhelfen. Zu ambivalent ist meine Beziehung zum Australier. Ich liebe es, wie er fast schwerelos über den Platz gleitet. Wie er scheinbar furchtlos auch in wichtigen Momenten die Linien sucht. Wie unberechenbar sein Spiel ist, wie er aufschlägt, die unglaublich Energie, die er in wichtigen Matches ausstrahlt.
Ich liebe es, dass er keine Maske trägt beim Spielen, wie viele andere Stars. Er versucht, nicht zu sein, sondern er ist. Er nimmt mich mit auf die Achterbahn der Gefühle, die er draussen auf dem Court durchlebt.
Deshalb bin ich mit Nick nicht nur dabei, sondern mittendrin im Geschehen: Freue mich – und schäme mich mit. Ich hasse es, wenn er nicht versucht, besser zu sein als sein Gegner, sondern den Schiedsrichter bittet, den Widersacher zu disqualifizieren – wie passiert im Match gegen Stefanos Tsitsipas. Ich hasse es, wenn er sich benimmt wie ein verwöhntes, unerzogenes Kind und damit Teenager beeinflusst, die sich flegelhaft benehmen, weil sie ihm nacheifern. Ich hasse es, wenn er meint, jeden Impuls – auch aus der untersten Schublade – ausleben zu können.
Bleibt die fundamentale Frage: Schaue ich zu, wenn er morgen gegen Cristian Garin spielt? Selbstverständlich. Mit viel Popcorn.