Das ist mein Fazit zur Djokovic-Affäre in Melbourne
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Heinz Günthardt über die Djoker-Wirren
«Djokovic hat niemanden, der ihm die Wahrheit sagt»

Novak Djokovic hat sich in den letzten Tagen nicht mit Ruhm bekleckert. Aber das ganze Theater ist nicht nur seine Schuld. Ihm fehlt jemand, der ehrlich zu ihm ist, schreibt Tennis-Experte Heinz Günthardt.
Publiziert: 16.01.2022 um 09:47 Uhr
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Aktualisiert: 16.01.2022 um 14:47 Uhr
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Wer sagt ihm die Wahrheit? Novak Djokovic (2. v. l.) mit Physio Ulises Badio, Coach Goran Ivanisevic und Fitnesstrainer Marco Panichi am vergangenen Dienstag im Training.
Foto: keystone-sda.ch
Heinz Günthardt

In manchen Momenten im Leben braucht es Gefühl. Ein Gespür dafür, was verlangt wird und was richtig ist. Dieses Gespür erlangen wir, weil unsere Umwelt es uns wissen lässt, wenn wir falschliegen. So lernen wir, mit Situationen besser umzugehen – wir üben täglich.

Novak Djokovic fehlt dieses Gespür manchmal. Aber er kommt auch nur selten zum Üben. Novak hat scheinbar alles. Er spricht gleich mehrere Sprachen fliessend, ist reich, berühmt und ein unfassbar guter Tennisspieler. Aber ein Umfeld, mit dem er sich normal austauschen kann, das ihn korrigiert, wenn er falschliegt – das hat er offenbar nicht.

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Seine Familie spricht von ihm wie von einem Heiligen

Dass ihn seine Entourage mit Coaches, Agent, Physios und Anwälten in manchen Momenten nicht bremst, das ist das eine. Aber denken wir an die Pressekonferenz, die seine Familie Anfang Woche gegeben hat. Die Familie, die in den letzten drei Jahrzehnten alles dafür getan hat, dass aus Novak der Über-Tennisspieler Djokovic geworden ist. Mutter, Vater, Bruder und Onkel sprachen von ihm wie von einem Heiligen. Wortwörtlich. Ein Heiliger hat immer recht. Novak hat niemanden, der ihm die Wahrheit sagt.

Damit ist Djokovic bei weitem nicht der Einzige. Wir Menschen werden von Macht, Reichtum und Ruhm angezogen wie die Mücken vom Licht. Seit Social Media noch mehr als zuvor. Ein Instagram-Moment mit einer Berühmtheit? Unbezahlbar. Wenn wir uns also einmal im engeren Umfeld eines Stars tummeln dürfen, wollen wir unbedingt da bleiben.

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Um dies sicherzustellen, stimmen wir instinktiv zu, wenn der Star etwas sagt. Egal, ob wir seine Ansicht teilen oder nicht. Er soll sich wohlfühlen in unserer Gesellschaft. Zu Beginn sind es meist Nebensächlichkeiten: Das Essen schmeckt zwar scheusslich, aber er liebt es. Also bestätigen wir ihm, wie lecker es ist. Seine Musik, die ununterbrochen läuft, bereitet uns fast Ohrenschmerzen, aber wir summen scheinbar gut gelaunt mit.

Soll ihm doch ein anderer sagen, dass er falschliegt

Irgendwann sind es dann wichtigere Dinge. Aber das Muster hat sich bereits etabliert. Er spricht, wir nicken zustimmend. Soll doch ein anderer ihm sagen, dass er hier wahrscheinlich falschliegt, es keine gute Idee ist, was er vorhat. Soll doch ein anderer das Risiko eingehen, aus dem Zirkel verbannt zu werden, weil er widerspricht.

In Melbourne haben viele vieles falsch gemacht – es ist ein unsägliches Theater. Novak spielt dabei die Hauptrolle. Nein, er wird für seine Interpretation dieser Rolle keinen Oscar gewinnen. Aber das darf nicht erstaunen. Es findet sich in seinem Umfeld auch niemand, mit dem er vor diesem Auftritt hätte üben können.

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