Gegner von Lokalmatadoren haben es schwer in Paris, Partycrasher noch mehr. Der belgische Ex-Top-10-Spieler David Goffin erfährt, was es heisst, sich in einem Abendspiel der French Open mit einem Franzosen zu messen – und diesen in fünf Sätzen auch noch zu schlagen. Der 33-Jährige bodigt Giovanni Mpetshi Perricard (20) 4:6, 6:4, 6:3, 6:7, 6:3 und kassiert dafür die Quittung des Publikums. Er wird gnadenlos ausgebuht.
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Doch der unrühmliche Schlusspunkt des Abends ist noch nichts im Vergleich dazu, was davor während dreieinhalb Stunden passierte. So erzählt es Goffin hinterher den Medien. Er berichtet: «Ich muss jetzt aufpassen, was ich sage. Aber das heute geht eindeutig zu weit. Das ist die totale Respektlosigkeit!» Er sei während der gesamten Spieldauer beleidigt worden: «Heute hat mir sogar jemand seinen Kaugummi angespuckt.»
«Bald gibt es auch bei uns Pyros und Hooligans»
Goffin äussert die Kritik ganz bewusst. Wenn man über so lange Zeit von den Fans «auf die Rübe gehauen bekommt», sei es nur gerecht, wenn diese nun ebenfalls in die Schlagzeilen kommen würden: «Das haben sie sich verdient.» Goffin sagt sogar: «Es geht immer mehr in Richtung Fussball. Bald gibt es auch bei uns Pyros und Hooligans, bald kämpfen sie auf den Tribünen. Langsam wird es lächerlich. Gewisse Leute sind nur hier, um Chaos zu stiften, statt für eine gute Stimmung zu sorgen.»
Er dürfe sich von solch einer «ungesunden Atmosphäre» nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen, so Goffin. Doch in Roland Garros sei dies schwieriger als anderswo: «Ich glaube, das passiert nur in Frankreich. Es gibt viele Leute, die sich beschweren, das ist das Echo aus der Spielerkabine. In Wimbledon kommt so etwas nicht vor. In Australien auch nicht. Und auch an den US Open ist es eher ruhig.»
Alkoholverbot auf der Tribüne
Am Donnerstag äussert sich Turnier-Direktorin Amélie Mauresmo zum Vorfall. «Wir haben beobachtet, dass von einigen Fans Grenzen überschritten wurden», sagt sie gegenüber «L'Équipe». Und die ehemalige Spitzenspielerin greift gleich durch: «Bisher war Alkohol auf der Tribüne, ausserhalb der Spielertribüne und der Präsidententribüne, erlaubt. Jetzt ist es überall vorbei.»
Auch Djokovic nervte sich schon
Goffin ist nicht der erste Exponent, der in Paris Klartext redet. Auch Novak Djokovic (37) hatte im Vorjahr einen Vorfall als «respektlos» bezeichnet, nachdem er bei einem «Medical Timeout» mit Buhrufen eingedeckt worden war: «Die Mehrheit kommt, um das Tennis zu geniessen. Aber es gibt Gruppen, die lieben es, bei jeder Aktion zu buhen. Das ist ihr gutes Recht, aber verstehen tue ich es nicht.»
Tennis-Legende John McEnroe (65) hatte damals das Publikum als «unfreundlich» und «extrem einschüchternd» bezeichnet. Und Alexander Zverev (27) richtete sich sogar direkt an die Fans – und wählte dabei den Kuschelkurs: «Es ist nicht schön, hier zu spielen, wenn ihr gegen uns seid. Dann ist es sehr laut und feindselig. Aber vielleicht kann ich in den nächsten zehn Tagen Franzose sein und wir sind alle glücklich.»
Nun, Goffin hat es diesmal gar nicht erst versucht, um die Liebe der Pariser Fans zu kämpfen. Er hat das Buhkonzert auf dem Platz mit einem provokanten Jubel quittiert. Und der verbalen Gegenoffensive.