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Der griechische Adonis
Stefanos Tsitsipas auf göttlicher Mission

Als erster Grieche in einem Grand-Slam-Final ist Tsitsipas ein Held. Schlägt er heute Djokovic, ist er zu Hause ein Gott.
Publiziert: 13.06.2021 um 14:45 Uhr
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Stefanos Tistipas steht als erster Grieche in einem Grand-Slam-Final.
Foto: Getty Images
Cécile Klotzbach

Der griechische Adonis – der Gott der Schönheit – wird als wunderschöner Jüngling beschrieben. Jung ist er, erst 22 Jahre alt. Das Aussehen ist natürlich Geschmacksache – aber für diejenigen, die auf den Typ Beach- oder Hippie-Boy mit langem, wehenden Haar und wildem Blick stehen, bietet der muskulöse, 1,93 m grosse Stefanos Tsitsipas schon allerhand Attribute.

Wunderschön ist aber sicher auch sein Tennis. Die Weltnummer 5 spielt abwechslungsreich, ideenreich, hat zweifellos ein unglaublich talentiertes rechtes Händchen, das die Rückhand – was in der jungen Generation selten ist – wie Roger Federer einhändig spielt. Tsitsipas hat es damit schon zu sieben ATP-Titeln geschafft, 2019 gar zum Sieg der ATP-Finals in London. Und nun in Paris in seinen ersten Grand-Slam-Final – als erster Grieche überhaupt. Das alles macht ihn in seiner Heimat zur Ikone.

Würde er heute in Roland Garros gar die Weltnummer 1, Novak Djokovic, schlagen, der am Freitag mit bestechendem Spiel niemand geringeren als Sandkönig Rafael Nadal aus seinem Reich verbannt hat, wäre er ein neuer griechischer Gott. Aber der Aufstieg bis zu dieser Himmelspforte wird ein unermesslicher Kampf gegen die Schwerkraft.

Ein Mann mit vielen Gesichtern

Seinen 19. Major-Titel im Visier, hat sich der 34-jährige Serbe in den letzten beiden Wochen kontinuierlich bis zum nach eigenen Aussagen «besten Match meiner ganzen Karriere auf Sand» gesteigert. Kann er dieses Niveau halten, dann Gnade dem Gegner. Tsitsipas konnte schon zwei Hartplatzduelle gegen den «Djoker» gewinnen, aber er weiss von fünf Gelegenheiten, wie es sich anfühlt, zu verlieren.

Dabei kann gerade sein schönes Spiel bei seiner göttlichen Mission zum Schwachpunkt werden. Artistische, vielseitige Spieler hätten das Problem, sich in brisanten Momenten aus einem vielseitigen Schlagrepertoire entscheiden zu müssen, sagt TV-Experte Boris Becker. «Das führt manchmal dazu, dass du deine Linie verlierst – und dann das Spiel.»

Leistet sich Tsitsipas gegen Djokovic nicht die kleinste Schwäche, dann hat er das Zeug zum grossen Coup, meint sein gelegentlicher Coach Patrick Mouratoglou, in dessen Akademie der hauptsächlich von Vater Aposotolos betreute Athener gelegentlich trainiert. Der Franzose schwärmt: «Stefanos hat das Gesamtpaket, um die Tenniswelt zu erobern. Er ist cool, er ist kreativ, er hat fast immer die richtige Lösung für ein Problem.» Diesen Bonus sieht auch Mats Wilander im Adonis. «Er hat in jedem Moment viele Optionen, hat stets das Zeug, dich zu überraschen und auf dem falschen Fuss zu erwischen», so der Schwede. «Er ist im besten Sinne ein Mann mit vielen Gesichtern.»

Influencer und Hobby-Philosoph

Das ist Stefanos Tsitsipas tatsächlich, auch neben dem Court. Seine Tränen beim Interview nach dem French-Open-Halbfinalsieg gegen Alexander Zverev (De) offenbarten seine sensible Seite. Seine Worte drückten Überwältigung, aber auch Demut aus. Überhaupt ist der Charakterkopf ernster, als er aussieht. Unter seinen Laver-Cup-Kollegen integrierte er sich 2019 in Genf gut, wirkte aber stets einen Zacken seriöser als der Rest des europäischen Showteams um Federer, Nadal und Co.

Dass seine Welt nicht nur aus Tennis besteht, zeigt der Adonis seinen Jüngern auch regelmässig im sozialen Netz. «Wild und frei» oder «Sei ein Rebell» lauten die Mottos des leidenschaftlich an Foto- und Video-Technik interessierten Influencers. Indem er sich auf seinem Youtube-Kanal um die Verunreinigung der Meere, den Klimawandel und die Zerstörung der Amazonas-Region sorgt oder die Naturphänomene Islands bewundert, zeigt Tsitsipas als nachdenklicher Hobby-Philosoph aber auch seine ehrfürchtige Seite.

Einer seiner Lieblingsbotschaften: «Wenn du gross denkst, kannst du auch Grosses erreichen.» Heute, Stefanos, ist der Tag, übermächtig zu denken.


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Wahnsinns-Comeback gegen Tsitsipas
Djokovic feiert in Paris 19. Grand-Slam-Titel

Über vier Stunden duellieren sich Novak Djokovic (34, ATP 1) und Stefanos Tsitsipas (22, ATP 5) im Final der French Open 2021. Am Ende jubelt die Nummer 1.
Publiziert: 13.06.2021 um 19:46 Uhr
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Aktualisiert: 14.06.2021 um 11:10 Uhr
Hier stemmt Djokovic seine 19. Grand-Slam-Trophäe
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Sieg in Paris gegen Tsitsipas:Hier stemmt Djokovic seine 19. Grand-Slam-Trophäe
Ramona Bieri

Novak Djokovic rückt Rafael Nadal und Roger Federer (je 20 Major-Titel) weiter auf die Pelle. Immer wieder betont der Serbe, dass ihm der Rekord, der meisten Grand-Slam-Titel viel bedeutet und er diesen unserem Maestro unbedingt abjagen will. Nun fehlt ihm noch ein Titel, um gleichzuziehen. Er triumphiert zum zweiten Mal nach 2016 bei den French Open und feiert seinen 19. Grand-Slam-Titel. Dafür brauchts beim 6:7, 2:6, 6:3, 6:2, 6:4 gegen Stefanos Tsitsipas aber einen Kraftakt sondergleichen.

Im ersten Satz führt die Weltnummer 1 mit Break 6:5, zieht dann aber ein ganz schwaches Service-Game ein und gibt es direkt wieder zurück. Und im Tiebreak wehrt Tsitsipas erst einen Satzball ab, um wenig später seinen ersten zu verwerten.

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Was für ein Match!
Foto: AFP

Toller Start von Tsitsipas reicht nicht

«Wenn du gross denkst, kannst du auch Grosses erreichen», das ist eine der Lieblingsbotschaften des Hobby-Philosophen Tsitsipas. Und der 22-Jährige ist ganz nah dran, Grosses zu erreichen. Denn im 2. Satz lässt er der Weltnummer 1 keine Chance, er überrollt sie förmlich und führt mit 2:0 Sätzen.

Das ist zu viel für Djokovic. Er zieht sich einen Moment zurück, um zur Ruhe zu kommen. Und startet dann das ganz grosse Comeback. Während er zulegen kann, schwindet die Energie bei Tsitsipas mehr und mehr. Der historische Moment, als erster Grieche einen Grand-Slam-Titel zu gewinnen, rückt immer weiter in die Ferne.

«Ein Traum, der wahr geworden ist»

Knackpunkt ist das vierte Game im 3. Satz. Dort wehrt Tsitsipas erst vier Breakchancen ab, ehe Djokovic im fünften Anlauf zuschlägt. Danach lässt er nichts mehr anbrennen. In der Folge gesteht der Serbe seinem Gegner keine einzige Breakchance mehr zu, kann in den Durchgängen 4 und 5 jeweils früh selber den Aufschlag durchbrechen.

Und so schreibt anstelle des Premierengasts in einem Grand-Slam-Final die Weltnummer 1 Geschichte, als sie nach 4 Stunden 12 Minuten ihren zweiten Matchball verwertet. Nach Rod Laver und Roy Emerson gelingt Djokovic erst als dritter Spieler das Kunststück, jedes Major-Turnier mindestens zwei Mal zu gewinnen. Seine erste Reaktion? «Es ist ein Traum, der wahr geworden ist.»

Ein Traum, den Tsitsipas weiter träumen wird. Und so wie der Grieche heute aufgetreten ist, wird es nur eine Frage der Zeit sein, bis er auch für ihn wahr wird.

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