Die 15’000 Fans in der Melbourner Rod-Laver-Arena werden tatsächlich Zeugen des scheinbar Unmöglichen. Novak Djokovic (36) verliert ein Spiel an den Australian Open. Er ver-liert. Das war in «Down Under» zuvor seit 33 Partien nicht mehr passiert. Oder anders ausgedrückt: Seit dem 22. Januar 2018, als er im Achtelfinal am Südkoreaner Chung Hyeon (27) in drei Sätzen scheiterte. Danach hatte er bei all seinen Teilnahmen – 2022 verpasste er wegen der fehlenden Corona-Impfung – jedes Mal auch den Titel geholt.
Nun ist es Italiens Shootingstar Jannik Sinner (22), der den zehnmaligen Aussie-Open-Champion rauswirft. Nicht irgendwie, sondern in hohem Bogen und in vier Sätzen, in denen Sinner den ungewohnt fehlerhaften Rekordmann vor allem zu Beginn an die Wand spielt.
«Jannik steht absolut verdient im Final. Er hat mich komplett ausgespielt. Ich war schockiert ob meines eigenen Levels. Das war eines meiner schlechtesten Grand-Slam-Spiele, an das ich mich erinnern kann», sagt der sichtlich bediente Serbe hinterher an der Pressekonferenz.
Er lässt Court (noch) nicht hinter sich
Für Djokovic ist es ein äusserst schmerzlicher Start in die neue Saison. Seine grössten Jahresziele sind auf einen Schlag futsch: Aus dem Kalender-Slam (oder: «Grand Slam»), den bei den Männern zuletzt ein gewisser Rod Laver (85) anno 1969 gewann, wird auch 2024 nichts. Das Vorhaben, endlich alle vier Grand-Slam-Titel im selben Jahr zu gewinnen, ist bereits nicht mehr möglich. Gleiches gilt für den sogenannten «Golden Slam», bei dem nebst den vier Major-Titeln auch noch der Olympiasieg dazugezählt wird.
Zudem verpasst es Djokovic, in Melbourne eine andere bedeutende Bestmarke aufzustellen: Hätte er den Turniersieg geholt, hätte er die Australierin Margaret Court (81) stehen gelassen und wäre mit dann 25 Grand-Slam-Titeln zum geschlechterübergreifend erfolgreichsten Tennisspieler aller Zeiten aufgestiegen.
So aber bleibt er wie Court bei 24 – und muss nun vor dem weiteren Verlauf der Saison dringend über die Bücher. Denn nach Carlos Alcaraz (20) in Wimbledon macht ihm jetzt mit Sinner schon der zweite aufstrebende Youngster den Platz an der Sonne streitig.
Noch aber, und das wird sein einziger Trost an diesem Tag sein, bleibt er die Nummer eins der Welt. Egal, wer in Melbourne am Ende triumphiert. Und er sagt auch: «Ich habe noch immer hohe Ziele für diese Saison, inklusive Olympia. Dass ich hier verloren habe, muss nicht heissen, dass dies der Beginn meines Endes ist. Auch wenn das manche wohl so beschreiben werden.»