Irgendwann schafft sie es nicht mehr, ihre Freudentränen zurückzuhalten. Kurz nach dem Handshake am Netz brechen die Emotionen aus Linda Noskova heraus. Sie hat das Unglaubliche geschafft: Die erst letzten November 19 Jahre alt gewordene Tschechin hat Weltnummer eins Iga Swiatek (22) eliminiert (3:6, 6:3, 6:4). Als erste Teenagerin seit 1999, der dies an den Australian Open gelungen ist – als Erste seit der Französin Amélie Mauresmo (44), die damals die Amerikanerin Lindsay Davenport (47) düpierte.
Noskova beendet in Melbourne die jahresübergreifend 18 Spiele andauernde Siegesserie von Swiatek. Und sie schreibt daraufhin mit dem Viertelfinaleinzug, nach der Aufgabe von Elina Switolina (29) beim Stand von 3:0, sogar noch weiter an ihrem Märchen in Down Under.
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Noskova gilt nebst den Fruhvirtova-Schwestern Linda (18) und Brenda (16) als grösste Zukunftshoffnung im mit zahlreichen Top-Spielerinnen ausgestatteten Tennisland Tschechien. Doch in der aus dem Städtchen Vsetin stammenden Weltnummer 50 steckt auch eine Prise Schweiz.
Noskova war längere Zeit eine der Schützlinge von Tennis-Ausbildnerin Melanie Molitor (66). Die Mutter der früheren Schweizer Weltranglistenersten Martina Hingis (43) hat nicht nur ihre Tochter zum Erfolg gecoacht, sie verhalf auch Belinda Bencic (26) zum Durchbruch an der Weltspitze. Und sie war zwischen 2011 und 2019 am Aufstieg von Swiss-Tennis-Versprechen Céline Naef (18) beteiligt.
«Ihre grösste Waffe ist ihr Kopf»
Noskova stellte für sie aufgrund ihrer Herkunft ein weiteres Herzensprojekt dar, wie Molitor gegenüber Blick lachend verrät: «Sie wuchs nur 15 Minuten vom Ort, an dem ich aufgewachsen bin, auf. (Roznov pod Radhostem, d. Red.) Da war es für mich selbstverständlich, dass ich helfen würde.»
Nun: Natürlich wird Molitor daneben auch Noskovas grosses Potenzial erkannt haben. Der Coup gegen Swiatek habe sie jedenfalls nicht überrascht, sagt Molitor: «Ich wusste, dass Linda sie schlagen kann. Ihre grösste Waffe ist ihr Kopf. Sie verfügt über einen bemerkenswerten Instinkt, sie kann während des Spiels locker die Taktik wechseln.» Der Auftritt gegen die polnische Weltnummer eins sei in dieser Hinsicht «perfekt» gewesen.
Molitor sagt, sie sei «froh», wenn sich ihre Arbeit bestätige. Doch sie betont noch viel mehr, dass die Lorbeeren des Erfolgs «vor allem Lindas Mutter Ivana» gehörten. Zudem habe Noskova nach ihrem Grand-Slam-Titel am Junioren-Event von Roland Garros 2021 «ideale Rahmenbedingungen» im tschechischen Verband vorgefunden.
Trotzdem: Noskovas Lager hatte sich zuvor bewusst entschieden, dass sich das grosse Talent den Feinschliff in der als streng, aber effektiv geltenden Molitor-Schule holen sollte. Über längere Zeit reiste Noskova regelmässig nach Wollerau SZ, um für jeweils eine Woche mit Molitor zu arbeiten. «Mal einmal monatlich, mal alle zwei Monate, das war unterschiedlich», erinnert sich die gebürtige Tschechin, die Noskova mit Bencic vergleicht: «Sie hat einen ähnlichen Stil wie Belinda. Mit dem Unterschied, dass Belinda als derart junge Spielerin mehr Kraft hatte, während Linda viel taktischer agiert.»
«Paar Sprüche ausgetauscht»
Seit rund drei Jahren geht Noskova nun ihren eigenen Weg, ohne Molitor. Der Kontakt würde aber weiterhin bestehen, bestätigt die Trainerin: «Ich habe ihr nach dem Sieg über Swiatek gratuliert. Und wir haben ein paar Sprüche ausgetauscht.»
Doch eine Prophezeiung, wie weit es Noskova an der Tennis-Weltspitze einst schaffen könnte, ist Molitor wie damals bei Bencic nicht zu entlocken. Zu viel könne in diesem Sport passieren. Der Halbfinaleinzug in der Nacht auf Mittwoch gegen die «wie eine Wahnsinnige draufschlagende» Ukrainerin Dajana Jastremska (23) liege aber drin: «Den traue ich ihr auf jeden Fall zu.»
Gut möglich, dass Noskova dann wieder eine SMS aus dem Kanton Schwyz erhält.