Belinda Bencic (27) kehrt nach ihrer Babypause an den Australian Open zurück auf die grosse Bühne. Wie weit ist sie bereits?
Im Oktober gab die Olympiasiegerin von 2021 ihr Comeback auf dem Tennisplatz, im Dezember stand sie in Angers in ihrem ersten Challenger-Final und zuletzt schaffte sie beim WTA-500-Turnier in Adelaide den Vorstoss in den Achtelfinal. Als Qualifikantin notabene. Bencic (WTA 421) hat sich vielversprechend zurückgemeldet und darf an den Australian Open dank ihres Protected Rankings direkt im Hauptfeld an den Start.
Blick-Experte Heinz Günthardt: «Das Tennisverständnis und Timing hat sie nicht verloren. Hingegen das Selbstvertrauen auf allerhöchstem Niveau und das richtige Defensivverhalten gegen die Besten, das muss sie sich erst wieder erarbeiten. Beim United Cup in Sydney unterlag sie der Weltnummer vier Jasmine Paolini mit 1:6, 1:6. Da ging es ihr einfach zu schnell. Das war eine gute Standortbestimmung für Belinda. Für sie wäre es wichtig, wenn sie sich in Melbourne in Fahrt spielen könnte. Doch Jelena Ostapenko als Startlos ist ein tückisches.»
Vermag Coach Andy Murray (37) seinen Schützling Novak Djokovic (37) nochmals entscheidend zu motivieren?
Djokovic hat im Vorjahr keinen Hehl daraus gemacht, seine liebe Mühe mit der Motivation zu haben. Zumindest auf der Tour, auf der er tatsächlich ohne einen einzigen Titel blieb. Bei seinem Olympiasieg in Paris war er allerdings wieder voll auf der Höhe. Schafft er dies nach jenem erreichten Meilenstein 2025 nochmals? Seine Hoffnungen ruhen (auch) auf dem neu engagierten Coach Murray, der bis letzten Sommer sein Rivale war.
Günthardt: «Ich kenne niemanden, der mehr Biss hatte in seiner Karriere als Murray. Ausgerechnet ihn zu verpflichten, könnte also ein genialer Schachzug von Djokovic sein. Seine Arbeitsmoral und sein Humor, dass er es irgendwie schaffte, das Leiden im Training zu geniessen, können ansteckend sein.»
Wie lange kann es der 39-jährige Stan Wawrinka auf der Tour noch geniessen?
Wawrinka wird überall, wo er aufschlägt, gefeiert und auf den grossen Plätzen bejubelt. 2024 verlor er mit seinem Ranking-Absturz allerdings an sportlicher Relevanz. Als Nummer 158 der Welt ist der dreifache Grand-Slam-Gewinner an den grossen Turnieren auf Wildcards angewiesen – wie nun auch an den Australian Open.
Günthardt: «Ich glaube nicht, dass sich Stan ein Datum für sein Karriereende gesetzt hat. Solange er an sein Niveau glaubt, macht er weiter. Sein Vorteil: Er hat trotz seines Alters noch immer extrem viel Druck in seinen Schlägen. Der Nachteil: Er muss wirklich gut spielen, um diese Stärke vollumfänglich nutzen zu können. Ein Langsamstart in ein Turnier – wie früher – kann er sich nicht mehr leisten. Mich überrascht es aber nicht, dass er weiterhin viele Wildcards bekommt. Ein Wawrinka ist immer noch attraktiver als manch ein anderer aufstrebender Name auf der Tour.»
Turnierbeginn am Sonntag, noch ohne Zeit-Ansetzungen:
Dominic Stricker (ATP 298) – James Duckworth (Aus, ATP 94)
Stan Wawrinka (ATP 158) – Lorenzo Sonego (It, ATP 54)
Belinda Bencic (WTA 421) – Jelena Ostapenko (Let, WTA 17)
Viktorija Golubic (WTA 90) – Elise Mertens (Bel, WTA 34)
Turnierbeginn am Sonntag, noch ohne Zeit-Ansetzungen:
Dominic Stricker (ATP 298) – James Duckworth (Aus, ATP 94)
Stan Wawrinka (ATP 158) – Lorenzo Sonego (It, ATP 54)
Belinda Bencic (WTA 421) – Jelena Ostapenko (Let, WTA 17)
Viktorija Golubic (WTA 90) – Elise Mertens (Bel, WTA 34)
Werden Jannik Sinner (23) und Carlos Alcaraz (21) die Tenniswelt mit ihrer Rivalität auch im neuen Jahr in Atem halten?
Der Rotschopf aus Südtirol und der kräftige Spektakelspieler aus El Palmar. Sinner und Alcaraz dominierten 2024 mit je zwei Grand-Slam-Titeln das Männer-Tennis. Sinner kehrt nun in Melbourne an den Ort seines ersten Streichs zurück – und Alcaraz an jenes Turnier, das ihm in seinem Palmarès noch fehlt.
Günthardt: «Beide haben grosses Starpotenzial und ohne Frage auch das Niveau. Doch ich sehe durchaus Luft nach oben. Alcaraz war letztes Jahr nach Olympia ein Schatten seiner selbst. Sein Auftritt an den US Open war ein Rätsel, er flog hochverdient in Runde zwei raus. Da geht es um die richtige Saisoneinteilung. Roger Federer (43), Rafael Nadal (38) und Djokovic waren jeweils an jedem Grand-Slam-Turnier auf den Punkt parat. Mit nur ganz, ganz wenigen Ausnahmen.»
Zündet einer des verheissungsvollen Schweizer Trios Dominic Stricker (22, ATP 298)/Jérôme Kym (21, ATP 135)/Leandro Riedi (22, ATP 138) den Turbo?
Stricker stand 2023 im US-Open-Achtelfinal, Kym und Riedi gewannen letztes Jahr je zwei Challenger-Titel. Doch alle drei schlagen sich immer wieder mit Verletzungen herum. Riedi musste aktuell den Saisonstart nach einer Knie-OP nach hinten verschieben.
Günthardt: «Es ist nichts Neues: Alle drei könnten Top-50-Spieler sein. Alle drei brauchen aber dringend eine Saison, in der sie voll durchziehen können. Für den Schweizer Tennisfan ist das zu hoffen, denn dann werden wir grosse Freude an ihnen haben.»
Wer kommt im Schweizer Nachwuchs nach?
Bei den Frauen sticht hier immer noch Céline Naef (WTA 155) heraus. Die Zürcherin ist erst 19, hat ihr Potenzial auf der Tour aber schon unter Beweis gestellt und will nach einem schwierigen Jahr wieder angreifen. Bei den Männern? Da führt kein Weg an den Toptalenten Henry Bernet (17) und Flynn Thomas (16) vorbei, den Nummern 10 respektive 14 in der Junioren-Weltrangliste.
Günthardt: «Bei Naef steht der Schritt in die Top 100 an. Sie war als 121. schon einmal nahe dran. Sie braucht nun dringend Erfolgserlebnisse auf hohem Niveau. Sie muss zwei, drei gute Gegnerinnen schlagen, damit es klick macht. Der starke Jahresendspurt 2024 mit dem Finaleinzug in Limoges hat gezeigt, dass sie auf einem guten Weg ist. Bernet und Thomas sind absolute Weltklasse bei den Junioren. Für die nächste Entwicklung muss man ihnen aber noch Zeit geben. Das Zeug für die Top 100 bei den Profis haben beide zweifellos.»
Wen sollte man bei den Frauen nebst dem Toptrio Aryna Sabalenka (26), Iga Swiatek (23) und Coco Gauff (20) auf der Rechnung haben?
Sabalenka hat mit dem Titelgewinn in Brisbane schon mal eine Ansage gemacht. Gauff mit dem US-Sieg am United Cup ebenfalls. Für ein Ausrufezeichen gesorgt hat auch Naomi Osaka (27), die im Vorjahr von ihrer Babypause zurückkehrte. Sie stand in Auckland erstmals seit ihrem Comeback wieder in einem Final, musste dort aber angeschlagen aufgeben.
Günthardt: «Osaka hat vom Spiel her alles, was es braucht, um das Toptrio zu schlagen. Sie ist nicht von ungefähr vierfache Grand-Slam-Siegerin. Daneben sehe ich vor allem Elena Rybakina (25) als gefährliche Verfolgerin. Und mit den früheren Juwelen Emma Raducanu (22), Leylah Fernandez (22) und Bianca Andreescu (24) gibt es neben Wunderkind Mirra Andreeva (17) genügend Potenzial für Wiederauferstehungsgeschichten oder neue Tennis-Märchen.»
Wie sehr hat das Image der Sportart unter dem Doping-Wirbel um Sinner und Swiatek gelitten?
Die positiven Dopingproben der beiden Topstars sorgten 2024 für mächtig Diskussionen. Wurden sie bevorzugt behandelt? In der Tennisszene hat dies mancherorts für rote Köpfe gesorgt. Tour-Rückkehrer Nick Kyrgios (29) etwa lässt keine Gelegenheit aus, gegen Sinner zu schiessen. Die «Big 3» Federer, Nadal und Djokovic glauben an die Unschuld Sinners, sehen das undurchsichtige Verfahren aber als Problem an.
Günthardt: «Es stimmt sicher, dass die Fälle ein schlechtes Licht auf den Sport geworfen haben. Man wird nicht schlau aus den beiden Fällen. Doch ich glaube nicht, dass das Image allzu fest darunter gelitten hat. Die Begeisterung um Sinner ist nicht nur in Italien riesig. Und in seiner Heimat herrscht ohnehin Ausnahmezustand. Da geht der Doping-Wirbel fast unter. Wir müssen nun aber noch abwarten, was der Internationale Sportgerichtshof (CAS) im Fall von Sinner entscheidet. Sperre oder nicht?»