Roger Federer ist zurück. Sein Comeback am Mittwoch gegen den Briten Dan Evans bietet alles, was die Fans des Schweizers in 405 Tagen vermisst haben: Mit fast zweieinhalb Stunden eine ordentliche Portion Drama und Nervenkitzel, zauberhafte Schläge und einen Sieg. Der 39-Jährige setzt sich schliesslich 7:6 (10:8), 3:6, 7:5 durch.
405 Tage Abwesenheit, da hat auch Federer viel verlernt oder nicht mitgekriegt. Als er im Januar 2020 letztmals auf dem Court stand, wurde den Spielern zum Beispiel das Handtuch noch gereicht, die Corona-Krise war noch nicht gross Thema.
Federer weiss nicht, was mit den Handtüchern passiert
Vor der Partie fragt er darum Stuhlschiesdrichter Mohamed Lahyani, wie es mit den Handtüchern genau funktioniere. «Ich wusste nicht, was mit den Handtüchern geschieht», so Federer. Im Spiel geht das dann aber immer wieder vergessen. «Manchmal fragte ich nach einem Handtuch, weil ich vergessen hatte, dass ich es ja selber holen muss.»
Federer nimmts mit Humor. «Man merkt, dass ich lange weg war», sagt er lachend. «Aber man sollte meinen, dass dies mit der Zeit besser wird.»
«Wie lange läuft die Shotclock, 25 Sekunden?»
Apropos Zeit. Auch die ist ein Thema. Die Regeln mit der Shotclock sind «Anfänger» Federer nämlich auch nicht ganz geläufig. Zur Sicherheit fragt er auch das vor dem ersten Service bei Lahyani noch nach. «Ich starte die Uhr, nachdem ich das Resultat verkündet habe, okay?», erklärt dieser. Federer darauf: «Und was sind es im Moment? 25 Sekunden?» Lahyani bestätigt.
Federer geht auch durch die Lappen, dass das Aufwärmen nur noch vier statt fünf Minuten geht. Und wer wann eine Schutzmaske tragen muss, ist er sich ebenfalls nicht sicher.
Evans staunt: «Ich sah nichts Müdes»
Egal. Auf dem Court sieht man schon ziemlich viel vom alten Federer wieder. TV-Kommentator Rob Koenig schreibt auf Twitter zum Beispiel von einem «Öl-Gemälde von einer Rückhand» und meinte damit den verwandelten Matchball.
Gegner Evans staunt auf alle Fälle über sein Gegenüber. Bei seinen Breakbällen im dritten Satz sei nichts zu machen gewesen. «In diesen Momenten hat er sein Niveau erhöht.» In bester Federer-Manier.
Evans stellt auch fest, wie «zwäg» Federer gewesen sei. Er habe seine Kräfte sehr gut einteilen können. «Ich sah im dritten Satz nichts Müdes. Vielleicht war er es, aber ich habe es nicht wahrgenommen», so der Brite.
Er habe gespürt, wie ihn Federer in den entscheidenden Momenten unter Druck gesetzt habe. «Es war unglaublich zu sehen, wie seine Aggressivität und die Intensität seiner Beine zunahm», sagt Evans, «ihn am Ende des Spiels so zu sehen, ist nicht angenehm.»
Für Evans ist klar, dass mit Federer zu rechnen ist. «Ich denke, er hat deutlich gemacht, wie gut er ist.»
Nervenspiel für Federer
Natürlich hängt auch vieles davon ab, wie sich Federer nach dem Marathon-Auftakt erholt. Und wie sehr er sein Knie spüren wird. Direkt nach dem Spiel sei dieses gut gewesen. Doch er sei gespannt, wie es sich tags darauf anfühlt, meinte Federer.
Zumal ja bereits das nächste Spiel ansteht. Die Regeln wird Federer vor dem Viertelfinal gegen den Georgier Nikoloz Basilashvili nun kennen. Und auch die Nerven dürfte er besser im Griff haben. Denn die seien durchaus auch ein Problem gewesen. Den ganzen Tag des Comebacks war Federer angespannter. Merkte am Morgen beim Einspielen, dass dies kein normaler Trainingstag mehr ist.
«Um vier Uhr dachte ich, das ist jetzt doch noch etwas lang bis sechs Uhr. Dann besprichst du noch die letzten Pläne mit den Trainern und du wirst richtig kribbelig. Von all dem bist du nur schon müde, bevors losgeht», gesteht Federer. «Meine Nerven sind das nicht mehr gewöhnt – und das spürte ich auch im Match.»