Im Ski-Weltcup dominiert weiterhin ein Thema: Corona. Dabei spielt sich derzeit auch ein anderes Drama ab. Jenes im Technikerinnen-Team von Swiss-Ski. «So etwas habe ich in 36 Jahren noch nie erlebt. Es ist eine ganz schwierige Zeit», sagt Technik-Trainer Alois Prenn.
Was er meint? Innert sieben Wochen verletzten sich drei seiner Schützlinge schwer: Zuerst Charlotte Chable (26), kurz darauf Aline Danioth (22) und nun auch noch Elena Stoffel (24). Alle zerfetzen sich im Training das Knie. Ihr Winter ist vorbei, ehe er überhaupt angefangen hat. «Es ist immer schlimm, wenn sich Teamkolleginnen und Freundinnen verletzten. Noch schlimmer ist es, wenn es gleich drei nacheinander erwischt», meint Teamleaderin Michelle Gisin (26).
Verzweiflung, Angst und Betroffenheit
Bei Chable ist es der vierte Kreuzbandriss. «Es ist ein Alptraum. Vielleicht ist mein Körper nicht fürs Skifahren gemacht», sagt sie. Der Rücktritt ist eine Option. Das ist bei Danioth nicht der Fall, doch der dritte Kreuzbandriss – erst vor kurzem war sie auf die Ski zurückgekehrt – lässt auch sie verzweifeln. «Ich weiss wirklich nicht, was ich mit meinem Leben jetzt anfangen soll. Aber ich hoffe, dass die Sonne bald wieder scheinen wird», meinte sie kurz nach dem Unfall. Mit zwei zeitlich verschobenen Operationen versuchen die Ärzte, die Karriere der Urnerin zu retten.
Und dann ist da noch Stoffel – für sie ist der Kreuzbandriss im linken Knie die erste gravierende Verletzung. «Es war schwierig, heute aufzuwachen und zu realisieren, dass mein Knie wirklich kaputt ist. Ich weiss nicht genau, was auf mich zukommt», meinte sie.
Swiss-Ski-Arzt Walter O. Frey geht das Schicksal des Schweizer Slalom-Trios nahe: «Jeder Unfall ist einer zu viel, aber das jetzt ist wirklich eine sehr traurige Bilanz, welche mich tief betroffen macht.»
0,7 Sekunden bis zum Spitalbett
Da stellt sich die Frage: Sind die Verletzungen den drei Schweizerinnen nur Pech? Immerhin erlitt auch Wendy Holdener (27) im Training eine Fraktur am rechten Wadenbeinkopf. Coach Prenn meint: «Ich habe mir nochmals alle Unfälle genau auf Video angeschaut. Es war überall die gleiche Dynamik drin, aber die Ursachen waren überall anders. Charlotte war zu spät dran, Aline sass zu weit hinten und Elena rutschte aus. Zudem waren die Schneeverhältnisse stets anders. Es gibt keinen gemeinsamen Nenner. Und sie waren alle topfit.»
Auch Denis Wicki betont dies. Ein Trost ist es für den erfahrenen Swiss-Ski-Trainer aber nicht. Im Gegenteil. «Alle reden immer von den hohen Geschwindigkeiten in der Abfahrt. Aber im Slalom sind die Fahrerinnen auch mit fast 50 km/h unterwegs. Eine Stange folgt auf die nächste, dazwischen liegen 0,7 Sekunden. Es passiert alles extrem schnell – auch ein Fehler.» Dabei sind die Folgen oft gravierend.
Dagegen anzukämpfen ist schwer. Ein Ansatz sieht Wicki aber: «Wir müssen schauen, dass unser Nachwuchs in den Skiclubs lange frei Ski fährt. Das dient der Koordination und hilft dem Aufbau der Muskulatur.» Prenn bläst ins gleiche Rohr: «Die heutigen Ski machen die Kurven fast selbst. Für mich fangen die Jungen viel zu früh mit Stangentraining an.»