WM-Schock am Raclette-Abend
Es ist Freitag, kurz nach 20 Uhr. Im gemütlichen Restaurant La Bergerie du Cervin oberhalb von Crans-Montana VS ist die Stimmung feierlich. Der abtretende OK-Boss Marius Robyr bedankt sich in seiner Rede für die Arbeit der Journalisten, blickt auf bewegte Jahre zurück und freut sich auf die WM 2027. Im riesigen Cheminée lodert das Feuer, daneben türmen sich die Raclette-Laibe. Swiss-Ski-Boss Urs Lehmann ehrt Robyr bei seiner Rede in perfektem Französisch, auch er freut sich auf die Heim-WM in drei Jahren. Doch dann, mitten im gemütlichen Beisammensein, platzt die Bombe – zuerst wird getuschelt, dann schauen alle auf ihre Handys. Die FIS droht Swiss-Ski öffentlich mit dem Entzug der WM! Finanzielle Versprechungen sollen nicht eingehalten worden sein – es geht um Defizitgarantien und Haftungsfragen. Mit der Gemütlichkeit ist es vorbei, die Medienleute brechen sofort auf, die Swiss-Ski-Bosse beraten sich. «Die WM ist nicht gefährdet», sagt tags darauf Co-CEO Diego Züger. Ein Gespräch mit der FIS am Montag könnte den Zwist beenden.
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Der Wutausbruch
Obwohl Vincent Kriechmayr (32) als Zweiter hinter dem Zürcher Niels Hintermann (28) in Kvitfjell Österreichs Abfahrtsteam den ersten Podestplatz in diesem Winter beschert, ist ÖSV-Cheftrainer Marko Pfeifer nach diesem Rennen richtig wütend. «Neben Kriechmayr hat sich mit Daniel Danklmaier nur einer von unseren Athleten in den Top 15 klassiert – eine solche Leistung kann und will ich nicht akzeptieren.» Pfeifer zerlegt seine Abfahrts-Equipe in alle Einzelteile: «Unsere arrivierten Athleten bauen mit Ausnahme vom Vincent immer mehr ab und unsere Rennfahrer aus der zweiten Reihe sind 26 oder 27 Jahre alt und gehören damit auch nicht mehr zu den Jüngsten!» Pfeifer bleibt auch nach Kriechmayrs Super-G-Sieg am Sonntag. «Wir haben im Hinblick auf die Heim-WM 2025 in Saalbach sehr viel Arbeit vor uns. Wir müssen das gut analysieren und wirklich Gas geben, damit wir da nicht ins Hintertreffen rücken und den Anschluss finden.»
Von 5 auf 205: Gut-Behrami drückt aufs Gaspedal
Gewinnt Lara Gut-Behrami (32) zum zweiten Mal nach 2016 den Gesamtweltcup? Die Schweizer Kugeljägerin (sie führt auch in drei Disziplinenwertungen) macht im Wallis einen grossen Schritt in diese Richtung. Sie wird Erste, Dritte und Sechste – damit holt sie in drei Tagen 200 Punkte. Derweil arbeitet Mikaela Shiffrin (28, USA) noch immer an ihrem Comeback – sie muss sich sputen, will sie Gut-Behrami noch abfangen. Die Tessinerin hat nun 205 Punkte Vorsprung, zehn Rennen stehen noch aus.
Die knallharte Selbsteinschätzung
Drei Wochen nach seinem ersten Super-G-Podestplatz in Garmisch realisiert Franjo von Allmen auf der Olympiapiste von 1994 sein bestes Abfahrtsergebnis – der dreifache Vize-Juniorenweltmeister von 2022 donnert mit der Nummer 28 auf den fünften Rang. Freudentänze führt der 22-jährige Berner Oberländer deshalb aber keine auf. «Mit der Platzierung bin ich zwar sehr happy, meine Leistung lässt aber zu wünschen übrig. Ich nerve mich über ein paar kleine Fehler, ich gehe teilweise ein unnötig hohes Risiko ein. Ich muss noch sehr viel lernen.»
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Weltmeisterin poltert, jubelt und reist vorzeitig ab
Die Tage in Crans-Montana sind für Jasmine Flury (30) ein Spiegelbild der Saison. Warum? Es geht für die Abfahrtsweltmeisterin auf der Achterbahn der Gefühle rasant nach oben und unten und wieder zurück. Nach dem ersten Training platzt der sonst so ruhigen Bündnerin der Kragen, sie spricht von einem «nicht weltcupwürdigen» Zielhang und einem «völlig unnötigen» Sprung. Zwei Tage später wird sie Zweite und versöhnt sich mit der Piste Mont Lachaux. Und am Sonntag? Da tritt sie nicht mehr an, Flury hat Schmerzen im Knie – es soll aber nichts Schlimmes sein.
Die schwarze Serie
Nach der Verletzung von Aleksander Aamodt Kilde (31) machen auch die Alpin-Männer aus Norwegen richtig harte Zeiten durch. Weil sich im Abschlusstraining zum Heimrennen nach einem heftigen Überschlag auch noch Adrian Smiseth Sejersted (29) gröber verletzt hat (ausgekugelte Schulter), klassiert sich in Kvitfjell mit Frederik Möller (30. in der Abfahrt) lediglich ein Wikinger in den Punkterängen. Was den Verantwortlichen richtig wehtut: Die Norweger haben in dieser Saison auf der höchsten Stufe noch kein einziges Rennen gewonnen. Eine Weltcupsaison ohne Alpin-Triumph haben die Norweger zuletzt 1987/88 erlebt.
Der heimliche Sieger von Crans-Montana
Der Frühling ist in Crans-Montana längst angekommen. Doch trotz deutlichen Plus-Graden (auch am Start) und einem Zielhang, der komplett der Sonne ausgesetzt ist, zaubert Pistenchef Patrice Morisod. Der ehemalige Trainer von Ex-Ski-Ass Didier Cuche kriegt mit der richtigen Salzmenge und unermüdlicher Arbeit tatsächlich drei einwandfreie Rennen hin. Besonders schön: Morisod scheut keine Selbstkritik und redet Klartext. Als Flury die Bedingungen im ersten Training anprangert, gibt er ihr recht. Er ist auch sofort bereit, den Zielsprung zu entschärfen. Auf die Frage, ob es diesen überhaupt braucht (Flury zweifelt es an), sagt Morisod: «Jasmine hat recht. Er macht aus sportlicher Sicht keinen Sinn – dieser Sprung ist eine Marketing-Sache, weil man dank ihm Werbung platzieren kann.»
Das grosse Fragezeichen
Saisonende oder Sensations-Comeback? Diese Frage stellt sich bei Frankreichs Kitzbühel-Held Cyprien Sarrazin (29). Der zweifache Hahnenkamm-Sieger hat sich im Freitagstraining bei einem Sturz am «Vinterhogget»-Sprung an der linken Wade verletzt und musste deshalb für die Rennen am Wochenende Forfait erklären. Somit liegt Marco Odermatt im Kampf um die kleine Kugel vor der finalen Abfahrt in Saalbach 42 Punkte vor Sarrazin. Die Mediziner sind sich derzeit uneinig, ob der Ski-Kamikaze aus der «Grande Nation» noch einmal um den Kristall in der Königsdisziplin mitkämpfen kann. Nach den Untersuchungen in Norwegen glaubt ein Arzt an eine rasche Genesung, ein anderer nicht. Odermatt rechnet nach wie vor mit seinem letzten Widersacher: «Bis zum Final in Saalbach dauert es ja noch fast fünf Wochen. Ich gehe davon aus, dass Cyprien bis dahin fit wird. Und weil ich ihm zutraue, dass er auch mit eineinhalb Beinen gewinnen kann, stelle ich mich auf ein enges Finale um die Abfahrtskugel ein.» Fix ist, dass der Nidwaldner in Saalbach zum dritten Mal in Serie die grosse Kugel für den Gesamtweltcupsieg in Empfang nehmen wird. Im Duell um die Super-G-Kugel liegt Odermatt vor dem letzten Rennen 81. Punkte vor Vincent Kriechmayr.
Das bosnische Märchen
Elvedina wer? Die Bosnierin Elvedina Muzaferija (24) schreibt in Crans-Montana doppelte Geschichte. Vor einer Woche gewinnt sie als erste Person des Balkan-Landes ein Europacup-Rennen. Und dann stösst sie am Samstag im Weltcup beinahe Lara Gut-Behrami vom Abfahrtspodest! Muzaferija rast auf den 4. Platz, elf Hundertstel fehlen auf Platz 3. So weit nach vorne schaffte es im Weltcup noch nie jemand aus Bosnien-Herzegowina – egal, ob Mann oder Frau.