Lange ist es her, sehr lange. Genauer: 16 Jahre. Am 28. Dezember 2007 gaben Lara Gut-Behrami (32) und Federica Brignone (33, It) in Lienz (Ö) gemeinsam ihr Debüt im Weltcup. Und heute? Da sind sie längst über 30 und die einzigen der damals 66 Starterinnen, die ihre Karriere noch nicht beendet haben. Mit gutem Grund, zählen sie doch noch lange nicht zum alten Eisen. Im Gegenteil: Gut-Behrami und Brignone haben in der noch jungen Saison bereits je zwei Riesenslalom-Siege auf dem Konto, die Italienerin liegt im Disziplinen-Weltcup nur fünf Punkte hinter der Tessinerin.
Nun kommt es in St. Moritz zum ersten Showdown der beiden im Super-G – auch da sind sie Weltklasse. Gut-Behrami weiss dabei um die Qualitäten ihrer Rivalin. «Ich bewundere Fede. Denn ich weiss aus eigener Erfahrung, wie es ist, sich nach so vielen Jahren im Sommer noch zu schinden und Spitzensport zu treiben.»
Fede. So nennen Brignone alle – auch ihre Mutter Maria Rosa Quario (62). Die ehemalige Weltklasse-Slalomfahrerin begleitet ihre Tochter im Weltcup auf Schritt und Tritt. Ihr Sohn ist auch immer dabei: Brignones Bruder Davide ist auch ihr Trainer. Quario: «Fede und Lara werden sich auf der Piste ganz sicher bekämpfen.»
Tiger auf dem Kopf, Tiger im Herzen
Auffallend ist nicht nur Brignones Klasse, sondern auch ihr Helm – ein Tiger ist darauf abgebildet. Genau so fährt das Energiebündel aus dem Aostatal. Angriffig und zuweilen wild, aber dennoch präzise und oft graziös. «Fede ist eine grosse Kämpferin. Darum hat sie den Tiger ausgesucht», erklärt ihre Mama. Sie trägt den Helm seit der WM-Kombination im letzten Februar, als sie Gold holte.
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Tatsächlich ist Brignone neben der Piste alles andere als wild, bei Interviews redete sie sehr eloquent und offen. Sie sei keine sehr selbstbewusste Frau, sagt sie. Zweifel würden sie immer wieder plagen. «Auch wenn ich gewinne, frage ich mich danach gleich, ob ich das wohl je wieder schaffen werde.»
Sie sei nicht aufgewachsen, um ein Champion zu werden, so Brignone. Genau das wurde sie trotzdem. Sie gewann 23 Weltcuprennen, vier kleine und 2020 gar die grosse Kristallkugel im Gesamtweltcup.
«Lara fährt ganz anders als ich»
Ihr Verhältnis zu Gut-Behrami ist normal – sie sind weder Freundinnen noch zerstritten. Was sie eint, ist die gegenseitige Bewunderung für ihre Leistung. Brignone: «Lara fährt ganz anders als ich – viel direkter. Für mich ist sie eine der intelligentesten Fahrerinnen im Ski-Tross. Ihre Taktik und die Art, wie sie Schlüsselstellen meistert, ist phänomenal.»
Und was bleibt? Die Erkenntnis, dass das Alter vielleicht doch nur eine Zahl ist – zumindest bei Weltklasse-Athletinnen wie Gut-Behrami und Brignone.