Es ist im November 2018, als der einstige Schweizer Abfahrtstrainer Patrice Morisod nach China reist. Der Ski-Verband des Olympia-Gastgebers will den Walliser, der als Coach die Abfahrtsstars Didier Cuche und Didier Défago zu WM-Gold und Siegen in Kitzbühel führte, als Übungsleiter fürs chinesische Alpin-Team verpflichten.
Im Rahmen eines Kader-Selektionstages soll Morisod der Verbandsspitze die entscheidenden Fragen beantworten. «Was sich da abgespielt hat, war ziemlich verrückt», erzählt Morisod rückblickend. «Einige chinesische Rennfahrer haben von Haus aus so viel Geld, dass sie mit dem Helikopter angereist sind. Und mir wurde ein Gehalt in Aussicht gestellt, wie man es ansonsten nur bei den ganz grossen Ski-Nationen verdienen kann.»
Doch Morisod bleiben auch die Probleme nicht verborgen: «Weil Chinas Alpin-Hoffnungen erst mit elf Jahren oder später ihren ersten Skitag absolviert hatten, zeigten sie bei meiner Sichtung das Niveau, das wir in der Schweiz von eher schlechten JO-Fahrern kennen.» Trotzdem wird Morisod von den Entscheidungsträgern im China-Verband allen Ernstes gefragt, wie viele Olympiamedaillen er diesen Athleten zutrauen würde. Seine Antwort: «Vielleicht können diese Leute eines Tages als Skilehrer oder Trainer arbeiten. Aber sie werden sicher nie Edelmetall bei Welt-Titelkämpfen gewinnen.»
Statt Morisod holten sie einen Österreicher
Damit hat sich der heute 54-Jährige bei den Chinesen disqualifiziert. «Wir brauchen einen Mann, der mit unseren Skirennfahrern beim Olympia-Heimspiel Medaillen gewinnt», so der Tenor aus dem Präsidium. Und deshalb wurde anstelle von Morisod ein Österreicher als Coach verpflichtet. Aber auch der schaffte das Ski-Wunder nicht.
«Die Chinesen werden bei den Alpin-Wettkämpfen nichts zu lachen haben, zumal die Pisten extrem selektiv sind», so Morisod. «Ich sehe keinen Chinesen, der pro Lauf weniger als zehn Sekunden verlieren wird.»
Ex-Weltcupfahrer mussten für Chinesen bremsen
Das mit Xu Wang der beste Chinese in der Abfahrts-Weltrangliste in den Top 150 klassiert ist, liegt gemäss der Schweizer Trainer-Legende einzig und alleine daran, «dass einige ehemalige Weltcup-Fahrer aus Österreich und Italien zu den FIS-Rennen nach China eingeladen wurden, die zugunsten der einheimischen Athleten gebremst haben – somit konnten die Chinesen ihre Punkte erheblich verbessern».
Patrice Morisod wird diese Woche wieder nach China fliegen. Fürs Westschweizer Fernsehen wird er dann auch seine Expertise über Chinas Hinterherfahrer abgeben können.