Es ist am letzten Freitagnachmittag, als Beat Feuz für einen Moment die Schnauze voll vom Ski-Zirkus hat. Nachdem der Titelverteidiger in der verkürzten Hahnenkamm-Abfahrt nicht über den achten Rang hinaus kommt, gibt es einige Journalisten, die dem Emmentaler schon eine Formkrise einreden wollen.
Um auf andere Gedanken zu kommen, steigt der Weltmeister von 2017 in seinen Audi und fährt von Kitzbühel ins 105 Kilometer entfernte Oberperfuss, wo er vor bald zwei Jahren in der Heimatgemeinde seiner Lebensgefährtin Katrin ein Einfamilienhaus gebaut hat. «Das hat mir enorm gutgetan. Gegen 15.30 Uhr war ich zu Hause, wo ich die Emotionen vom Skifahren ganz schnell abgelegt habe. Ich konnte bei meiner Familie richtig entspannen.»
Kraft bei der zweiten Abfahrt gezeigt
Wie viel Kraft der «Kugelblitz» im Kreise seiner Katrin und den beiden Töchtern Clea und Luisa auftanken konnte, demonstriert er gestern auf der unverkürzten Hahnenkamm-Abfahrt. Obwohl sein fast elf Jahre jüngerer Teamkollege Marco Odermatt mit der Startnummer sieben eine mega starke Zeit vorlegt, fällt Beats Konter mit der Nummer neun auf der schwierigsten Abfahrt der Welt noch einmal zwei Zehntel schneller aus.
Nach diesem heroischen Zweikampf liegen sich Feuz und Odermatt wie zwei Brüder in den Armen und zelebrieren den ersten Schweizer Kitz-Doppelsieg seit 1992, als Franz Heinzer vor Dani Mahrer und Xavier Gigandet triumphierte.
Aber ganz ehrlich: Tut es Odermatt nicht auch ein bisschen weh, dass ihm Feuz den ganz grossen Abfahrts-Coup vermasselt hat? «Es ist ganz klar: Jeder von uns geht an den Start, weil er gewinnen will. Aber wenn von den 51 Startern trotzdem einer schneller ist als ich, ist es mir am liebsten, wenn es Beat ist.»
«Da ist das Herz in die Hose gerutscht»
Vielleicht hätte Odermatt dieses Rennen mit einer runderen Linie am Hausberg gewonnen. Dort mogelt sich der Nidwaldener auf dem allerletzten Drücker am Out vorbei. «Da ist mir für einen Moment das Herz in die Hose gerutscht, ich habe ernsthaft daran gezweifelt, ob ich schadlos aus dieser Situation heraus komme», gesteht Odermatt und geht noch etwas härter mit sich ins Gericht: «Jetzt kann ich ja sagen, dass alles gut ausgegangen ist. Aber wenn ich mich im letzten Rennen vor Olympia auf diese Weise verletzt hätte, wäre das schon sehr blöd gewesen.»
Beat Feuz hat sich bis jetzt kaum mit den Olympischen Spielen in Peking beschäftigt. «Ich habe bis dato noch keinen einzigen Blick auf das Streckenprofil von der Olympia-Abfahrt geworfen. Letzten Samstag habe ich mich lediglich darüber informiert, wann ich die Covid-PCR-Tests für die China-Reise hochladen muss.»
Im Gegensatz zu den anderen Schweizer Abfahrern wird Feuz nicht am 28. sondern am 30. Januar nach Peking fliegen. «Bis dahin will ich noch die Zeit mit meiner Familie geniessen.» Die Olympia-Abfahrt steht am 6. Februar auf dem Programm.