«Nach jedem schlechten Rennen ...»
Ewig gleiche Diskussion nervt Gisin

Michelle Gisin (29) ist bereit für ihre fünften Weltmeisterschaften. Allerdings hat sie einen turbulenten Winter hinter sich. Was ist nun in Frankreich möglich?
Publiziert: 03.02.2023 um 00:31 Uhr
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Aktualisiert: 03.02.2023 um 13:32 Uhr
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Beim Häkeln findet Michelle Gisin Ruhe. Für sie ein rares Gut. Denn: Sie ist die Marathon-Frau im Ski-Zirkus.
Foto: Zvg
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Mathias GermannReporter Sport

Blick: Michelle Gisin, haben Sie überhaupt Zeit für eine WM?
Michelle Gisin: Sicher. Warum meinen Sie?

Sie werden innert Kürze zweifache Tante. Ihr Bruder Marc ist seit kurzem Vater und auch Schwester Dominique erwartet ein Kind. Da gibt es viel zu häkeln …
Stimmt! Das ist ein Hobby, welches ich mir im vorletzten Sommer zugelegt habe, als es mir wegen meiner Erkrankung am Pfeifferschen Drüsenfieber schlecht ging. Es beruhigt mich, ich mache es oft nach den Rennen auf dem Hometrainer. Da ich zuletzt einige freie Tage hatte, habe ich bereits für meinen Neffen zwei herzige Tierchen gehäkelt.

Freie Tage hatten Sie in diesem Winter nur wenige. Sie sind die einzige Fahrerin, die jedes Weltcuprennen bestritt.
Darum waren die fünf Tage vor der WM schon fast wie Ferien. Im Ernst: Es war eine anstrengende Zeit.

Vor allem, weil ihr neues Material Mühe bereitete. Einverstanden?
Es stimmt, dass wir Abstimmungsprobleme hatten. Aber es nervt mich, dass jedes Rennen, das ich schlecht fuhr, gefühlt aufs Material zurückgeführt wurde.

Was war das Problem?
Ich habe auch selbst Fehler gemacht. Oft waren die Rennen ein «Gemurkse» – irgendwann verlor ich das Selbstvertrauen, dann holte ich es mir schrittweise zurück. Und schon folgte der nächste Dämpfer.

Sie waren immer wieder krank, oder?
Ja, das hat es gegeben. Aber da bin ich nicht alleine.

Wären Rennpausen, um das Setup besser einzustellen, nicht sinnvoll gewesen?
Die Umstände erlaubten es nicht. Oder ich wollte es nicht, weil man durch die Rennen viele Erkenntnisse zum Material-Setup fand.

Dadurch liessen Sie sich auf diesen Ski-Marathon ein und starteten bei allen 28 Rennen.
Der Weltcupkalender ist ziemlich verrückt. 28 Rennen vor der WM – ich weiss wirklich nicht, ob das nicht zu viel ist für die TV-Zuschauer daheim. Dass wir bislang 9 Slaloms und 8 Riesenslaloms, aber nur 11 Speed-Rennen hatten, finde ich alles andere als glücklich. Dies ist aber nicht der Grund, wenn es nicht lief. Dafür war ich schon selbst verantwortlich.

Wie würden Sie Ihren Winter in einem Wort beschreiben?
Zäh.

Im letzten Winter standen Sie fünfmal auf dem Podest, dazu holten Sie bei Olympia Super-G-Bronze und Kombi-Gold. In dieser Saison ist der vierte Platz ihr Top-Resultat. Hat Sie das frustriert?
Es gab Phasen, die wirklich hart waren. Aber immer wieder auch Silberstreifen am Horizont. Immerhin habe ich mich in drei Disziplinen für die WM qualifiziert. Und im Speed läuft es wirklich gut.

Die WM beginnt mit der Kombination. Da sind Ihre Chancen auf Medaillen am grössten, oder?
Sie sind sicher gut, vor allem jetzt, wo ich im Slalom wieder anständig fahre.

In Spindlermühle wurden Sie zuletzt Neunte.
Das gab mir Mut. Ich bin extrem froh, dass nun alles etwas stabiler ist. Es wird immer besser.

Wie lautet Ihre Strategie für die Kombination?
Ich brauche sicher einen mega guten Super-G, um vorne mitzumischen. Ich werde voll attackieren.

Mikaela Shiffrin ist die haushohe Favoritin auf Gold.
Einverstanden. Ich muss mit dem Super-G Druck auf sie aufsetzen. Denn wenn Mikaela keinen Druck spürt, ist sie wegen ihrer Klasse im Slalom beinahe unschlagbar.

Dieser Winter war lange geprägt von wenig Schnee und hohen Temperaturen. Sie engagieren sich als Botschafterin für den Klimaschutz. Machte Ihnen die Situation zu schaffen?
Als wir nach Zagreb kamen, um zwei Slaloms zu fahren, habe ich mich schon gefragt: Was ist denn das? Was machen wir da eigentlich? Es gab nur ein weisses Band Schnee, daneben nichts – wir konnten nicht mal richtig einfahren. Das tat weh.

Als Skirennfahrerin leben Sie nicht besonders klimafreundlich.
Diese Absurdität ist mir sehr bewusst. Gleichzeitig ist das Skifahren meine grösste Leidenschaft und ich will ihr noch ein paar Jahre nachgehen.

Zurück zur WM. Werden Sie auch dort Wärmehosen der italienischen Nationalmannschaft unter dem Renndress tragen?
Natürlich. Das sind seit sieben Jahren meine Glückshosen (schmunzelt).

Wie kam es dazu?
Vor sieben Jahren haben mein Freund Luca und ich die Hosen im Training aus Jux getauscht. Sobald ich sie anziehe, stelle ich mir vor, dass ich so viele Muskeln habe wie er. Ich fahre immer mit diesen Hosen, in jeder Disziplin. Vor allem in der Abfahrt, wo ich auch mal Angst habe, hilft mir dieser mentale Trick. Ansonsten ist aber alles schweizerisch an mir.

Haben die Hosen keine Löcher?
Noch nicht. Übrigens wasche ich sie auch stets (schmunzelt). Ich bin überzeugt, dass die Hosen bis zu meinem Karriereende durchhalten werden.

Persönlich

Michelle Gisin (29) ist Teil einer skibegeisterten Familie. Ihre Schwester Dominique (37) wurde 2014 Abfahrts-Olympiasiegerin – und auch ihr Bruder Marc (34) gehörte zur erweiterten Weltspitze. Michelle ist Allrounderin und überall für einen Coup gut. 2018 und 2022 holte sie in der Kombi jeweils Olympia-Gold. Die Engelbergerin ist mit dem italienischen Skifahrer Luca De Aliprandini (32) liiert.

Michelle Gisin (29) ist Teil einer skibegeisterten Familie. Ihre Schwester Dominique (37) wurde 2014 Abfahrts-Olympiasiegerin – und auch ihr Bruder Marc (34) gehörte zur erweiterten Weltspitze. Michelle ist Allrounderin und überall für einen Coup gut. 2018 und 2022 holte sie in der Kombi jeweils Olympia-Gold. Die Engelbergerin ist mit dem italienischen Skifahrer Luca De Aliprandini (32) liiert.

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