Sölden, am 27. Oktober 2023: Slalom-Weltcupsieger Lucas Braathen (23) sorgt am Tag vor dem Weltcupauftakt für einen Paukenschlag, als er völlig überraschend seinen Rücktritt erklärt. Mit tränenden Augen legt der 23-Jährige dar, dass er durch die ständigen Streitigkeiten mit dem norwegischen Verband, der auf dem Rennhelm keinen Individualsponsor zulässt, die Freude am Skirennsport verloren hat.
Blick sprach im Herbst unmittelbar nach diesem Knall mit Marco Odermatt (26). Der beste Skirennfahrer der Gegenwart lieferte mit seiner Reaktion eine spektakuläre Schlagzeile: «Ich wäre nicht überrascht, wenn Braathen im nächsten Winter für Brasilien starten würde!»
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Odermatt weiter: «Es liegt auf der Hand, weil seine Mutter Brasilianerin ist. Und der brasilianische Verband hat ganz sicher nichts dagegen, wenn Lucas Red Bull als Sponsor mitbringen würde.» Die Brasilien-Prognose wird anfänglich von einigen Leuten in Braathens Umfeld als «unrealistisch» abgekanzelt. Doch zwei Monate später wird erstmals klar, dass Odermatt mit seiner Aussage einen Volltreffer gelandet hat.
Trainings mit Raposo und Ginnis
Im Dezember absolviert Braathen eine Trainingseinheit mit dem Briten Charlie Raposo (28) auf der Reiteralm (Ö), ein paar Tage später fährt er in Hinterreit mit Griechenlands Vize-Weltmeister AJ Ginnis (29) Slalom. In dieser Phase vertraut der Sieger vom Lauberhorn- (2022) und Chuenisbärgli-Slalom (2023) mehreren Leuten an, dass er künftig für Brasilien fahren möchte. Anlässlich der Hahnenkamm-Rennen in Kitzbühel unterhielt sich AJ Ginnis im VIP-Bereich länger mit FIS-Präsident Johan Eliasch (62) darüber.
Aber was braucht es für einen Verbandswechsel? Im FIS-Reglement heisst es: «Bevor der Antrag zur Lizenzänderung eingereicht wird, muss der Wettkämpfer die Staatsbürgerschaft und den Reisepass besitzen.» Zudem müsse der Fahrer seinen «tatsächlichen rechtlichen Hauptwohnsitz» während mindestens zwei Jahren im Land des neuen Skiverbands gehabt haben. Ausnahme: Der Wettkämpfer ist dort geboren oder Vater oder Mutter sind Staatsbürger des Landes. Im Fall von Braathen, dessen Hauptwohnsitz in Norwegen liegt, greift also dank der brasilianischen Mama die Ausnahmeregelung.
Comeback-Rennen in Neuseeland
Dennoch könnte für Braathen eine andere FIS-Regel noch zum Stolperstein werden: Ein Wettkämpfer behält bei einem Nationenwechsel nur dann seine bisherigen FIS-Punkte, wenn der vorherige nationale Skiverband dem Wechsel zugestimmt hat. Und weil die Differenzen zwischen Braathen und der Führung des norwegischen Verbands seit Sölden 2023 nicht ausgeräumt werden konnten, ist fraglich, ob die Skandinavier dem Nationenwechsel zustimmen.
Ohne Norwegens Zustimmung müsste Braathen in Südamerika mit dem Punktesaldo von 999 beginnen. Und damit hätte er keine Startberechtigung bei Weltcup- oder Kontinentalcup-Rennen. Der Edeltechniker müsste deshalb erst einmal bei kleinen FIS-Rennen an den Start gehen, um seinen Punktestand zu verbessern.
Letzte Woche sickerte bereits durch, dass Braathen im kommenden Sommer im Brasil-Dress FIS-Wettkämpfe in Neuseeland bestreiten will. Offiziell hat er sich bis jetzt aber noch nicht zu diesen Themen geäussert. Das wird sich am Donnerstag ändern. Dann wird Lucas Braathen in Salzburg eine Medienkonferenz geben (11 Uhr).