Die Siegerinnen
Lara Gut-Behrami
Diese unglaubliche Serie mit fünf Siegen in Serie im Super-G bis hin zum WM-Titel ist sicher das Highlight in Laras Karriere. Aber am meisten beeindruckt hat mich ihr Gold im Riesenslalom, in der Paradedisziplin der Technik. Dort, wo du zweimal ranmusst, um dich zu beweisen. Dort, wo du dir keine Fehler erlauben kannst. Dort, wo auch die spätere Analyse bestätigen muss, dass deine Fahrweise die richtige und beste ist.
Der «Drift» hat aus Lara die momentan beste Technikerin gemacht. Driften kann auch bremsen heissen, aber nur wenn man es ohne Gefühl und zu oft macht. Lara hat lange damit gekämpft, gelitten, gefeilt, angepasst und es schliesslich bis zur Perfektion getrimmt. Heute heisst es: Lerne driften wie Lara und erst dann carven.
Corinne Suter
Corinne Suter startete als Überfliegerin der letzten Saison zwar mit Rang eins und zwei in die Saison. Dann aber waren während drei aufeinanderfolgenden Abfahrten die Lichter aus. Der Auftritt an der WM war aber mehr als beeindruckend. Ihre mentale Leistung, ihr Kampfgeist und ihre intelligente Linienwahl auf der Fahrt zum Titel in ihrer Paradedisziplin Abfahrt bleiben unvergessen.
Michelle Gisin
Klar, von einer Olympiasiegerin wird immer viel erwartet. Podeste und Siege in den klassischen Disziplinen. Michelle hat sich diesbezüglich gewaltig gesteigert, ihren ersten Weltcupsieg im Slalom mit ihrer eleganten Fahrweise gefeiert und sich zusätzlich Podestplätze geholt.
Auch wenn ihr Cortina nicht das gebracht hat, was sie sich erträumte, darf sie mit Stolz die Bronzemedaille in der Kombination neben die goldene von Olympia 2018 hängen.
Die Verliererinnen
Wendy Holdener
Ich frage mich: Wie kann jemand, der drei Podestplätze in einer Saison erreicht, zu den Verliererinnen gehören? Die Antwort: Weil ich weiss, wozu Wendy fähig wäre. Nämlich zu den längst fälligen Siegen. Diese hatte ich mir in dieser Saison von ihr erhofft.
Klar, die Saison begann unter einem unglücklichen Stern. Die Verletzung im Oktober warf sie um Wochen zurück. Die Unruhen inmitten der Saison mit der Trennung von ihrem Trainer musste sie erst einmal verdauen. Der erste Grossanlass seit sechs Jahren ohne Wendy-Medaille ist wirklich gewöhnungsbedürftig!
Aline Danioth
Eine Fahrerin, die gar nicht erst in die Saison starten konnte, war für mich die grösste Enttäuschung. Aline kommt wie ich aus Andermatt. Da weiss jeder oder jede, was der oder die andere tut. In ihrem Fall, wie hart sie an sich und an ihrer Karriere arbeitet. Dass sie sich schon wieder eine Kreuzbandverletzung zuzog, hat mich echt geschockt. Es zeigt aber auch, wie nahe Siege und Niederlagen beieinander liegen. Und wie mit der Zeit sportlicher Erfolg mit Gesundheit aufgewogen werden muss.
Die Sieger
Marco Odermatt
Es gibt sie immer wieder, diese Jahrzehnt-Talente. Gesegnete Skirennfahrer, die eins sind mit dem Berg, der Natur und dem Element Schnee. Aber dann kommt der Ernstkampf, der entscheidet, ob du ein Talent oder ein Siegertyp bist. Marco hat mit seinen drei Siegen im Super-G und Riesenslalom und sechs weiteren Podestplätzen bewiesen, dass er bereits heute zu den ganz Grossen gehört. Aus dem Rohdiamanten wurde innerhalb einer Saison ein geschliffener Edelstein.
Ich denke bei Odermatt aber auch an die schwarzen Tage, die Absagen der Speed-Rennen zum Saisonschluss oder das gefühlsmässige Wellental an der WM in Cortina. Alles in allem hat er in dieser Saison bereits mehr gewonnen und erlebt als viele andere in einer ganzen Karriere.
Beat Feuz
Unser Kugelblitz musste nichts mehr beweisen. Er ist einer der grössten Abfahrer des modernen Weltcups. Nun hat er sich, mit den vier Kugeln, neben Franz Klammer auf den Abfahrtsthron gesetzt.
Und er hat dies nicht mit der Brechstange gemacht. Sondern ruhig, bewusst, mit einem Steigerungslauf aus einem etwas harzigen Saisonbeginn heraus. Mit zwei Siegen in Kitzbühel und zwei weiteren Podestplätzen zum Schluss der Saison.
Auch wenn wir seine Fahrweise bereits kennen, erstaunt es mich immer wieder, wie viel Gefühl Beat aufbringt. Für den Druck auf den Ski, die ideale Linie und den gewinnbringenden Radius. Wenn ich Schnee wäre, wünschte ich mir noch mehr solche pistenschonenden Fahrer.
Loïc Meillard
Was Loïc in den letzten Jahren ansatzmässig gezeigt hat, hat er nun in eine atemberaubende Regelmässigkeit umgesetzt. Seine Technik, seine perfekte Körperposition in allen Situationen – im Slalom wie im Riesenslalom. Auf steilen, eisigen Pisten genauso wie im coupierten Gelände bei griffigen Verhältnissen. Müsste ich heute ein Buch über die perfekte Skirenntechnik schreiben, würde ich einen Bildband mit Loïc Meillard herausgeben.
Die Verlierer
Daniel Yule
Es schmerzt mich, zum Schluss der Saison in dieser Wunde zu stochern. Aber ich weiss, dass Daniel genauso wie ich und seine Fans enttäuscht ist. Er ging als Top-3-Fahrer im Slalom in die WM-Saison. Als einer, der in der Vergangenheit grosse Siege erreicht hat. Und zum Schluss erreicht er knapp die Top 15 der Weltcup-Startliste. Da ist einiges schiefgelaufen.
Daniel kam von Beginn weg nie zur Ruhe. Er verlor die Geduld, seiner Fahrweise treu zu bleiben. Und vergass somit immer mehr seinen besten Freund, den Aussenski. Von Rennen zu Rennen, von Tor zu Tor machte dieser je länger, je mehr einen weiteren Weg – unbelastet, nicht aktiv, zeitverschwendend.
Niels Hintermann
Meine Enttäuschung liegt weniger bei der Leistung von Niels als vielmehr bei den Umständen. Das Schweizer Abfahrtsteam braucht dringend jüngere Fahrer, die den Anschluss an die Top 15 finden. Er ist einer von ihnen, und er hatte gleich bei der ersten Abfahrt der Saison in Val d’Isère die Chance, ihn herzustellen! Mit bester Zwischenzeit nach zwei Dritteln der Strecke stürzte er und zog sich eine mühsame Verletzung zu. Schade.