In Gurgl ist alles angerichtet für die perfekte Premiere. Erstmals findet in der österreichischen Ortschaft, die zur Gemeinde Sölden gehört, ein Weltcup-Slalom statt. Der Einheimische Michael Matt (30) führt im zweiten Lauf, als er von seinem Landsmann Marco Schwarz (28) von der Spitze verdrängt wird. Doch anstatt sich über die Doppelführung zu freuen, überschlagen sich nach seiner Zieleinfahrt die Ereignisse.
Kaum sieht Schwarz, dass er die neue Bestzeit aufgestellt hat, verschaffen sich Klimaaktivisten Zugang zum Zielraum. Aus Protest versprühen sie orange Farbe im Schnee. Das Publikum reagiert sofort, deckt sie mit einem gellenden Pfeifkonzert ein. Kurz darauf eilt die Polizei herbei, um die Störenfriede wegzuschaffen. Dass die besten Fünf des ersten Laufs noch oben stehen, verkommt zur Nebensache. Nur bei einem nicht: Henrik Kristoffersen (29).
Bei Sportanlass nichts verloren
Der norwegische Slalom-Weltmeister ist stinksauer, als er die Klimaaktivisten sieht. Er will zu ihnen stürmen und ihnen die Meinung geigen. Mit Müh und Not halten ihn mehrere Personen davon ab. Sein Ärger ist trotzdem riesig. «Verdammte Idioten!», poltert er im norwegischen Fernsehen. Besonders regt ihn auf, dass sie das Rennen seines Teamkollegen Alexander Steen Olsen (22) ruinieren. Er muss minutenlang auf den Start warten und fällt dann von Rang 5 auf 18 zurück.
«Sie haben keinen Respekt vor den Athleten und den Zuschauern.» Für den Ski-Star ist klar: Bei einem Sportanlass haben Klimaaktivisten nichts verloren. Kristoffersen hat zwar Verständnis für ihr Anliegen, aber «dann sollen sie den politischen Weg gehen und etwas ändern». Mit solchen Aktionen gelinge ihnen das nicht. Was in Gurgl passiert ist, bezeichnet er als «ekelhaft und verwerflich» und meint: «Mir wird schlecht, wenn ich an sie denke.» Die anderen Athleten sehen das gleich, sie klopfen Kristoffersen für seinen Wut-Auftritt auf die Schulter. Und was ist mit den Aktivisten? Die werden von der Polizei weggetragen und in Gewahrsam genommen. Kristoffersen hofft auf «viele Konsequenzen» für sie, wie er gegenüber SRF sagt.
Yule überzeugt als einziger Schweizer
Zur österreichischen Ski-Party kommts in Gurgl dann doch noch. Denn als das Rennen fortgesetzt wird, fährt nur noch einer schneller als Schwarz: sein Teamkollege Manuel Feller (31). Schon im ersten Lauf ist er mit über neun Zehnteln Vorsprung auf die Konkurrenz in einer eigenen Liga unterwegs. Und lässt sich seinen dritten Weltcupsieg nicht mehr nehmen. Auf die Störaktion angesprochen, bezeichnet es Feller gegenüber österreichischen Medien als wichtig, «dass es Leute gibt, die sich für so etwas einsetzen». Andererseits versteht er aber nicht, warum ausgerechnet das Ziel des Slaloms im Visier der Aktivisten war. «Dann darf ich gar keine Veranstaltung mehr machen.» Denn er findet, dass es im Skisport eigentlich nicht gross etwas zu diskutieren gibt, denn dieser mache es «schon sehr, sehr gut».
Während die Gastgeber einen Dreifachsieg bejubeln, siehts bei den Schweizern anders aus. Einzig Daniel Yule (30) überzeugt. Dank einer Leistungssteigerung im zweiten Lauf wird er Fünfter. Loïc Meillard (27) hat als Vierter zur Halbzeit Podestchancen. Mit einem Einfädler wirft er diese weg. Auch Ramon Zenhäusern (31), der vergangene Saison wie Yule zwei Slaloms gewann, kann seine Leistung nicht abrufen. Vor allem sein zweiter Lauf ist viel zu verhalten. Wie Marc Rochat (30), Luca Aerni (30) und Tanguy Nef (26) punktet er zwar, klassiert sich aber ausserhalb der Top 15. (bir)