Es ist in den Morgenstunden vom letzten Dienstag, als Beat Feuz auf dem Laufband Überraschendes zu hören bekommt. Der Abfahrts-Olympiasieger, der im Januar 2023 in Kitzbühel sein letztes Weltcuprennen bestritten hat, zieht sich während der Fitness-Einheit den Ski-Talk von Blick mit Bernhard Russi (76) rein. Russi, der Abfahrts-Altmeister aus Andermatt (Weltmeister 1970, Olympiasieger 1972), spricht besondere Worte aus. «Ich könnte mir vorstellen, dass Beat Feuz noch einmal bei der Weltcup-Abfahrt am Lauberhorn startet und sich mit seiner Genialität in den Top 10 klassiert, vorausgesetzt er ist gesund und gut trainiert.» Doch auch er weiss, «dass es sehr unwahrscheinlich ist, dass Beat das auch wirklich tun wird. Aber vielleicht müssten wir ja noch einmal mit ihm reden.»
Genau das tun wir jetzt: Was hält Beat Feuz von der Russi-Idee? Der vierfache Gewinner der Abfahrts-Kristallkugel antwortet lachend: «Im Moment muss ich mir zu diesem Thema keine Gedanken machen, weil ich ja von der FIS erst zwei Jahre nach meinem Rücktritt eine Wildcard erhalten würde. Aber ich kann mir derzeit wirklich nicht vorstellen, dass ich noch einmal ein Weltcuprennen bestreiten werde, weil ich mit meinem neuen Leben sehr glücklich bin.»
Plaschy stellt Hirscher miserables Zeugnis aus
Genau wie Feuz ist auch Marcel Hirscher Vater von zwei Kindern. Und den Salzburger zieht es zurück auf die Piste. «Meiner Meinung nach hat Marcel sein Comeback nur deshalb gegeben, weil es ihm nach seinem Rücktritt 2019 zu langweilig geworden ist», glaubt der ehemalige Slalom-Champion Didier Plaschy (2 Weltcupsiege). Der mittlerweile 51-jährige Oberwalliser war am letzten Sonntag im finnischen Levi im Einsatz, wo Hirscher bei seinem ersten Weltcup-Slalom seit fünf Jahren die Qualifikation für den zweiten Lauf mit dem 46. Platz klar verpasst hat.
Im Gegensatz zu anderen Experten führt Plaschy den bedenklich schwachen Auftritt des achtfachen Gesamtweltcupsiegers nicht nur auf Materialprobleme zurück. «Mit 36 ist Marcel nicht mehr so spritzig, wie er es mit 29 war. Zudem mangelt es ihm an Grundspeed. So muss Hirscher im Gegensatz zu seiner sportlichen Blütezeit die viel grösseren Risiken eingehen und ist dadurch sehr viel anfälliger auf Fehler.»
Es gibt nicht viele, die Hirscher so gut kennen, wie Felix Neureuther. Der Deutsche mit 13 Weltcupsiegen auf dem Konto hat sich während zehn Jahren zahlreiche legendäre Duelle mit dem Neo-Holländer geliefert und steht auch heute regelmässig in Kontakt mit seinem einstigen Erzrivalen. Neureuther ist immer noch davon überzeugt, «dass Marcel rein skitechnisch betrachtet zu den Besten gehört. Aber er hat im Spätherbst den Fehler begangen, dass er nicht für ein paar Wochen in Skandinavien trainiert hat. Ich weiss aus eigener Erfahrung, dass du in Nordeuropa oder in den USA die perfekten Bedingungen findest, um das Material weiterzuentwickeln. Stattdessen hat sich Marcel in Österreich auf Levi vorbereitet. Und weil er nicht damit gerechnet hat, dass die Piste in Levi derart eisig ist, hatte er für dieses Rennen nicht das passende Setup und war somit chancenlos.»
Neureuthers Klartext zum Fall Vonn
Neureuther hat auch eine klare Meinung zu einem anderen grossen Comeback, das es noch vor Weihnachten geben soll: US-Superstar Lindsey Vonn (83 Weltcupsiege) plant am 21. und 22. Dezember die Teilnahme bei den beiden Weltcup-Super-G in St. Moritz. Das alles mit 40 Jahren, mehr als fünf Jahre nach ihrem Rücktritt. «Ich würde mir wünschen, dass der Plan von Lindsey aufgeht. Wenn sie mit einem künstlichen Kniegelenk wieder erfolgreich Rennen bestreiten könnte, würde sie vielen Menschen mit einem vergleichbaren Handicap viel Mut machen», sagt Neureuther.
Der 40-Jährige zweifelt jedoch daran, dass St. Moritz der richtige Comeback-Ort für Vonn ist. «Der Super-G in St. Moritz gehört mit zahlreichen Übergängen, Kompressionen und einem besonders tückischen Sprung zu den schwierigsten Prüfungen im Weltcup-Kalender der Frauen. An ihrer Stelle würde ich mir deshalb für die Rückkehr in den Weltcup-Zirkus eine Abfahrt aussuchen, wo sie sich im Gegensatz zum Super-G in den Trainings an die Piste herantasten kann.» Bevor Vonn ihr Abenteuer im Engadin in Angriff nehmen kann, wird sie aber in der zweiten Dezemberwoche ihre FIS-Punkte (93,02 im Super-G, 104,81 in der Abfahrt) bei Nordamerika-Cup-Rennen in Copper Mountain auf 80 Punkte senken.