Lara Gut-Behrami (32) nimmt kein Blatt vor den Mund. «Wenn die Leute im Zielraum im T-Shirt rumlaufen und jene vor dem Fernseher Badehose tragen, ist das nicht logisch. Das weckt bei ihnen doch keine Lust, selbst Ski zufahren.» Worauf die Tessinerin zielt, ist klar: Der Weltcup-Start Ende Oktober in Sölden (Ö).
Zwar wurde dieser von der FIS um eine Woche nach hinten verschoben (28. und 29. Oktober) – das reicht in den Augen Gut-Behramis aber nicht. Die Tendenz der letzten Jahre sei schliesslich eindeutig. «Wir haben weniger Schnee im November und viel im April. Für viele Athleten würde es Sinn machen, Mitte November zu beginnen.»
FIS muss über die Bücher
Seit der Jahrtausendwende findet das Saison-Opening Jahr für Jahr im Ötztal statt –immer im Oktober. Die Idee hinter dem frühen Start: Einerseits sollen die Skiverkäufe angekurbelt, andererseits die Vorfreude aufs Skifahren geweckt werden. Gut-Behrami zweifelt daran, ob dies heute der Fall ist.
«Wenn die Leute zu Hause bei 25 Grad Rennen schauen, denken sie nicht als Skifahren. Das passiert, erst, wenn es kälter wird und der Schnee kommt – das wäre auch die bessere Werbung für unseren Sport.» Für Gut-Behrami ist klar: Beim Ski-Kalender muss die FIS über die Bücher.
«Man arbeitet eher gegen die Natur»
Dieser Meinung ist auch Michelle Gisin (29). «Auch bei der Reiserei könnte man einiges optimieren. Da nehmen wir nicht immer den kürzesten Weg von einem Weltcuport zum nächsten. Insgesamt habe ich den Eindruck, als würde man eher gegen die Natur arbeiten, anstatt sich angesichts des Klimawandels nach vorne zu bewegen.»
Die Engelbergerin merkt, dass auch das Skifahren auf den Gletschern im Sommer immer prekärer wird. Ihr sei bewusst, dass sie als Skirennfahrerin nicht besonders umweltfreundlich sei. «Eher das Gegenteil. Ich versuche einfach, klimafreundliche Lösungen zu finden.» Für Gisin ist klar: Man muss nicht nur die nächsten paar Jahre anschauen, sondern 10 oder 20 Jahre vorausdenken.
Tabula Rasa wäre nötig
Auf die Frage, ob sie analog der Formel 1 ein Trainingsverbot in gewissen Perioden befürworten würde – zum Beispiel im Sommer – antwortet Gisin: «Es wäre eine Option.» Zum Beispiel könnte man vom 1. Juli bis 31. August eine «schneefreie Zone» schaffen, um die Natur zu schonen.
Die Problematik darin liegt auf der Hand: Fahrerinnen wie Neuseelands Riesenslalom-Heldin Alice Robinson trainieren im Juli und August auf der Südhalbkugel im Winter – verbieten kann man ihr dies nicht. Und sowieso: Wie soll man kontrollieren, ob jemand auf Gletschern unterwegs ist?
Fragen über Fragen. Für Gisin ist klar: «Man sollte irgendwann Tabula Rasa machen. Alles genau überdenken und von null aufbauen.»