Steinwüste statt Gletscherpracht
«So schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie.»

Jeden Herbst verwandelt sich Saas-Fee in ein Mekka für Freestyler. Doch langsam, aber sicher schmilzt den Sportlern das Eis unter den Brettern weg. Die Sorgen in der Szene sind gross.
Publiziert: 12.10.2023 um 19:31 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2023 um 20:51 Uhr
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Der zweifache Weltmeister Seppe Smits 2021 auf dem Feegletscher, 3500 Meter über Meer.
Foto: Seppe Smits
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Nina KöpferRedaktorin Sport

Saas-Fee verwandelt sich in diesen Tagen vom ruhigen Ferienort in den Bergen zum Spielplatz der grössten Freestyle-Stars der Welt. Alle sind hier. Vom Schweizer Freeski-Wirbelwind Andri Ragettli (25) über die US-Halfpipe-Ikone Chloe Kim (23) bis zum fünffachen australischen X-Games-Sieger Scotty James (29). Der Grund für dieses Klassentreffen der Giganten heisst Charles Beckinsale.

Der Australier gilt in der Szene als bester Parkbauer überhaupt. Wo er Hand anlegt, steht die Weltelite der Freestyler Schlange. Im Wallis baut er seit acht Jahren jeden Herbst einen Park, das Projekt namens Stomping Grounds gilt mittlerweile als wichtigstes Trainingslager überhaupt. Denn die Bedingungen in Saas-Fee sind perfekt. Weil das Skigebiet nach Norden gerichtet ist und auf fast 3500 Metern liegt, ist es auch im Herbst möglich, eine perfekte Halfpipe zu bauen.

Weltmeister schockiert

Spricht man mit den Athleten, sind alle begeistert von Beckinsales Park. Doch ein Satz fällt trotzdem immer wieder: «So schlimm wie in diesem Jahr sah es noch nie aus.» Gemeint ist die Situation oben auf dem Gletscher. Tritt man auf 3500 Metern über Meer aus der Station der Metro hinaus, bietet sich ein tristes Bild. Der Boden ähnelt einer Steinwüste, fegt eine Windböe über den Berg, wirbelt sie keinen Schnee, sondern eine dicke Staubwolke auf. Weiter unten auf dem Gletscher sind zwei Pisten präpariert, auf denen die alpinen Skifahrer trainieren. Der Untergrund ist grau gefleckt. Die schneeweisse Halfpipe und der Kicker nebenan auf dem Trainingsgelände der Stomping Grounds wirken surreal.

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In der Halfpipe trainiert auch der zweifache Slopestyle-Weltmeister Seppe Smits (32). Schon seit Jahren nutzt der Belgier im Herbst den perfekt präparierten Park, um sich auf die Saison vorzubereiten. In diesem Jahr aber traute er seinen Augen kaum, als er den Feegletscher sah. «It’s bad, man», sagt er und zeigt auf seinem Handy eine Serie von Bildern, die er genau zwei Jahre zuvor aufgenommen hat. Auf einem Foto steht er vor einer Gletscherhöhle inmitten des weissen Eises. Danach folgt ein Bild aus diesem Jahr. Es zeigt ihn an der genau gleichen Stelle. Anstatt eines Gletschers ist im Hintergrund nackter Fels zu sehen.

Zehn Prozent weniger Eis

Dass die betroffenen Sportler nicht übertreiben in ihrer Wahrnehmung, bestätigt die eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL an der ETH Zürich. Tatsächlich waren die letzten beiden Jahre einschneidend. Extrem warme Sommer und extrem trockene Herbste haben dazu geführt, dass zehn Prozent des Eisvolumens in der Schweiz innerhalb von zwei Jahren weggeschmolzen sind. Aktuelle Zahlen zum Feegletscher liegen noch nicht vor. Jedoch bestätigt die WSL: Auch die Gletscher auf über 3200 Meter, die bislang noch im Gleichgewicht waren, haben in den letzten zwei Jahren mehrere Meter Eis eingebüsst.

Seppe Smits kann, wie alle anderen auch, nur spekulieren, wie lange er und seine Kollegen hier noch trainieren können. Einige geben dem Stomping Grounds noch zwei Jahre, andere zwanzig. Eine mögliche Entschärfung des Problems wäre es, später in die Saison zu starten. Doch dafür müsste die gesamte Industrie mitziehen. Einfacher gesagt als getan.

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