«Ist weniger schön als im Wallis»
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Mélanie Meillard lacht:«Ist weniger schön als im Wallis»

Ski-Stars bereiten sich in Wittenburg auf den Slalom-Winter vor
Holdener und Meillard schuften im norddeutschen Tiefkühler

Das Slalom-Training in der Skihalle hat mit Ski-Romantik wenig zu tun. Doch darum gehts für Swiss-Ski auch nicht. Bei einem Besuch in Wittenburg wird klar, warum die Einheit für den kommenden Winter besonders wertvoll ist.
Publiziert: 11.10.2023 um 17:12 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2023 um 06:55 Uhr
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Mélanie Meillard (l.) und Wendy Holdener trainieren in der Halle ihre schnellen Schwünge.
Foto: BENJAMIN SOLAND

Was trennt den Sommer vom Winter? Im Städtchen Wittenburg, eine Autostunde von Hamburg entfernt, ist es eine Glastür. Vor der riesigen Skihalle locken gut 20 Grad und Sonne, während drinnen Wendy Holdener (30) und Mélanie Meillard (25) bei minus 1,5 Grad und künstlichem Licht ihre Spuren in den Schnee ziehen. Wobei das Wort Schnee übertrieben ist – das Schweizer Technik-Duo zischt auf blankem Eis durch die Slalom-Tore.

«Als ich im C-Kader das erste Mal hier war, hatte ich definitiv mehr Mühe mit dem Eis als heute», sagt Holdener. Meillard meint: «Letztes Jahr fuhren Kinder nach unserem Training über die Piste. Sie rutschten alle weg und fielen um – wie Pins beim Bowling. Aber sie hatten trotzdem ihren Spass.»

Blick trifft das Schweizer Slalom-Duo Ende September im Alpincenter, dem laut eigener Beschreibung grössten Schnee- und Freizeitpark Europas. 6500 Tonnen Stahl und 30’000 Tonnen Beton wurden hier vor 17 Jahren verbaut. Holdener und Meillard belegen zwei der 124 Zimmer des in der Anlage integrierten Hotels. Es gibt auch ein Fitnesscenter, eine Bowlingbahn, ein Kinderparadies und draussen, unter der Skirampe, eine Go-Kart-Strecke. Zeit dafür haben während des dreitägigen Trainingscamps weder Holdener noch Meillard, ihr Reich ist die 330 Meter lange Skipiste, die mit Sprühbalken vereist wurde. «Auf dem Gletscher fahren wir dagegen auf Naturschnee, der sich schnell verändert. Hier ist das nicht der Fall, die Bedingungen sind immer gleich – das ist enorm wertvoll. Ich finde das Training sinnvoll, denn im Weltcup ist die Unterlage ähnlich», so Holdener.

Griechenlands Ski-Held ist auch da

Ihr Trainingstag beginnt frühmorgens um 7 Uhr. Nach dem Aufstehen gehts zur Rezeption, von da führt ein 50 Meter langer Gang zum Frühstücksraum. An den Wänden hängen zahlreiche Bilder von Skirennfahrern, die hier schon trainiert haben – auch Superstar Mikaela Shiffrin (28, USA) bedankt sich mit Unterschrift für die Gastfreundschaft. Tatsächlich ist die Nachfrage von Ski-Verbänden so gross, dass die Skihalle im Sommer während Wochen ausgebucht ist – Freizeitsportler haben dann keinen Zutritt. 

Auch jetzt ist das Schweizer Slalom-Team nicht alleine, Tschechen und Zyprioten sind ebenfalls da. Österreichs Nachwuchsfahrerinnen sind auch eingerückt. Es macht den Eindruck, als liege das Epizentrum des Skirennsports an diesem Septembertag tatsächlich nur 50 Kilometer vom Ostseestrand entfernt.

Öko-Wahnsinn oder genial?

Skifahren in Norddeutschland. Also dort, wo es keine Berge gibt und ganz selten Schnee. Für einige ist es Öko-Wahnsinn, für andere genial. Fakt ist: Allerlei Ski-Teams nutzen die Chance, in der Skihalle bei Wittenburg zu trainieren.

«Da weniger als zehn Prozent der Trainingstage im Sommer in Skihallen absolviert werden, ist das aus unserer Sicht ökologisch vertretbar und effizient», sagt Walter Reusser, Geschäftsführer Sport bei Swiss-Ski. Man nutze die Skihalle nur sehr selektiv und konzentriert. 

Riesige Photovoltaik-Anlage

In Wittenburg sorgen fünf Kältemaschinen, 54 Umluftkühlgeräte, 15 Schneekanonen und 30 Kilometer Schläuche für konstante Minusgrade und eine nie endende, weisse Pracht. Das benötigt Strom – viel Strom. Schätzungsweise so viel wie 1700 Dreipersonenhaushalte. Gleichzeitig hat die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und in der Umgebung eine Fläche von sechs Fussballfeldern, wie Canadian Solar schreibt – das kanadische Unternehmen hat die Anlage errichtet.

Auch die Beleuchtung wurde vor Jahren erneuert, sie braucht weniger Strom und produziert nicht so viel Wärme. Reusser meint: «Wir begrüssen es natürlich sehr, wenn die Infrastruktur, die wir benutzen, so nachhaltig wie möglich ist. Wir haben dies meistens nicht selbst in der Hand. Daher braucht es alle Akteure, um den Schneesport nachhaltiger zu machen.»

Rennen in der Halle? «Kein Thema»

Hört man sich in der Ski-Szene um, findet man kaum einen Fan von Skihallentrainings. Aber man verzichtet auch nicht auf sie, weil sie effizient sind und alle anderen es auch tun. Doch was wäre, wenn tatsächlich alle Ski-Verbände freiwillig auf solche Indoor-Einheiten verzichten würden? Reusser gibt sich entspannt. «Dann müssten wir die Planung in der Vorbereitung anpassen. Zwingend sind Hallentrainings nicht.»

Die von FIS-Präsident Johan Eliasch geäusserte Vision von wichtigen Skirennen in der Halle – zum Beispiel in Dubai – findet bei Reusser keinen Anklang. «Bevor man Skirennen in die Halle verlegt, muss man Anpassungen in den Trainingsphasen vornehmen. Rennen sind auf FIS-Stufe aktuell kein Thema.»

Übrigens: 25 Skihallen gibt es derzeit in Europa – in Spanien, Frankreich, Belgien, Deutschland, Holland, Grossbritannien, Finnland und Litauen. In der Schweiz wird nur draussen Ski gefahren.

Skifahren in Norddeutschland. Also dort, wo es keine Berge gibt und ganz selten Schnee. Für einige ist es Öko-Wahnsinn, für andere genial. Fakt ist: Allerlei Ski-Teams nutzen die Chance, in der Skihalle bei Wittenburg zu trainieren.

«Da weniger als zehn Prozent der Trainingstage im Sommer in Skihallen absolviert werden, ist das aus unserer Sicht ökologisch vertretbar und effizient», sagt Walter Reusser, Geschäftsführer Sport bei Swiss-Ski. Man nutze die Skihalle nur sehr selektiv und konzentriert. 

Riesige Photovoltaik-Anlage

In Wittenburg sorgen fünf Kältemaschinen, 54 Umluftkühlgeräte, 15 Schneekanonen und 30 Kilometer Schläuche für konstante Minusgrade und eine nie endende, weisse Pracht. Das benötigt Strom – viel Strom. Schätzungsweise so viel wie 1700 Dreipersonenhaushalte. Gleichzeitig hat die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und in der Umgebung eine Fläche von sechs Fussballfeldern, wie Canadian Solar schreibt – das kanadische Unternehmen hat die Anlage errichtet.

Auch die Beleuchtung wurde vor Jahren erneuert, sie braucht weniger Strom und produziert nicht so viel Wärme. Reusser meint: «Wir begrüssen es natürlich sehr, wenn die Infrastruktur, die wir benutzen, so nachhaltig wie möglich ist. Wir haben dies meistens nicht selbst in der Hand. Daher braucht es alle Akteure, um den Schneesport nachhaltiger zu machen.»

Rennen in der Halle? «Kein Thema»

Hört man sich in der Ski-Szene um, findet man kaum einen Fan von Skihallentrainings. Aber man verzichtet auch nicht auf sie, weil sie effizient sind und alle anderen es auch tun. Doch was wäre, wenn tatsächlich alle Ski-Verbände freiwillig auf solche Indoor-Einheiten verzichten würden? Reusser gibt sich entspannt. «Dann müssten wir die Planung in der Vorbereitung anpassen. Zwingend sind Hallentrainings nicht.»

Die von FIS-Präsident Johan Eliasch geäusserte Vision von wichtigen Skirennen in der Halle – zum Beispiel in Dubai – findet bei Reusser keinen Anklang. «Bevor man Skirennen in die Halle verlegt, muss man Anpassungen in den Trainingsphasen vornehmen. Rennen sind auf FIS-Stufe aktuell kein Thema.»

Übrigens: 25 Skihallen gibt es derzeit in Europa – in Spanien, Frankreich, Belgien, Deutschland, Holland, Grossbritannien, Finnland und Litauen. In der Schweiz wird nur draussen Ski gefahren.

«Ich will im Sommer nicht zu viel auf den Gletschern fahren, nutze aber die Möglichkeiten der Skihalle gerne. Hier kann ich viele Wiederholungen machen, kann an meiner Technik und Konstanz arbeiten. Dieses Training ist für mich sehr wichtig», sagt AJ Ginnis (28). Der Slalom-Vizeweltmeister aus Griechenland schuftet eine Woche lang in Wittenburg. «Zwischendurch muss ich mich daran erinnern, auch mal nach draussen zu gehen. Und ganz ehrlich: Ich bin schon auch froh, wenn dieses Zeit vorbei ist – denn es ist ganz anders als in den Bergen.» Meillard sieht das genauso – auch wenn an der Seite der Piste ein riesiges Transparent mit Bergpanorama-Bild gespannt wurde. «Es ist sicher weniger schön als in den Walliser Bergen», sagt sie.

Sie müssen auch im Flachen schnell sein

Bevor ihr Training beginnt, stärken sich die Schweizerinnen im Frühstücksraum mit Alphütten-Charme. Aus dem Lautsprecher wabert die Schlagerversion von «Country Roads». Nach dem Zmorge wärmen sich Holdener und Meillard vor der Winter-Eingangstür auf. Drinnen in der Ski-Tiefkühltruhe haben Technik-Chef Alois Prenn und Disziplinentrainer Christian Brill den Trainingslauf längst ausgesteckt. «Um die Stangen zu befestigen, erhalten wir einen eigenen, kleineren Bohrer. Mit dem normalen Bohrer würden wir die Kühlanlage unter dem Eis beschädigen», erzählt Brill. 

Um 9 Uhr beginnt das Training. Die 330 Meter lange Strecke startet mit einem Flachstück, dann wirds 31 Prozent steil, ehe die Piste wieder ziemlich eben ausläuft. Für Holdener und Meillard ist sie keine Herausforderung – zumindest auf dem Papier nicht. Doch Prenn und Brill haben weite Torabstände gewählt – das macht es für die Athletinnen schwierig, auf Tempo zu kommen. Prompt weist Brill Meillard nach dem 4. Lauf an: «Oben musst du aktiver und präziser fahren, Mélanie. Sonst spürst du den Rebound der Ski nicht.» Sie setzt die Anweisungen rasch um. Meillard weiss: In Levi (Fi), der ersten Slalom-Station des Winters, ist der Starthang ebenfalls sehr flach.

Der Tag hat praktisch keine Pausen

Jeder Lauf der zwei Schweizerinnen dauert um die 26 Sekunden. Er wird im Ziel sofort von Trainer und Fahrerin auf dem Handy analysiert. Danach folgt die Absprache mit dem Servicemann. Wie lief der Ski? Waren die Kanten zu aggressiv? Hattest du zu wenig Grip? Ein Paar Ski nach dem anderen wird getestet. «Die Abstimmung des Materials ist das Wichtigste am Hallentraining», meint Holdener auf dem Vierer-Sessellift, der sie wieder nach oben bringt. Ihr langjähriger Servicemann Silvio Hafele erhält bei gleichbleibenden Schneebedingungen wichtige Informationen – davon profitiert das Duo während des ganzen Winters.

So geht es weiter, Lauf für Lauf – zehn sind es pro Trainingseinheit. Das schlaucht, Holdener und Meillard kommen ins Schnaufen. Immerhin: Weil auf Meereshöhe gefahren wird, ermüden die Fahrerinnen weniger schnell als in den Bergen – auch das ist ein Vorteil der Skihalle. Nach dem Mittagessen folgt die nächste Einheit, von 13 bis 15 Uhr. Physiotherapie und Kondi-Trainings füllen den Tag weiter aus. Doch was ist mit Bowling? Oder einer Go-Kart-Fahrt? Oder einem Spaziergang an der Sonne? Keine Zeit, winkt Holdener ab. «Macht nichts, dafür sind wir ja da – es ist unser Beruf. Und ehrlich gesagt liebe ich ihn auch hier.»

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