Sie siegt, ballt die Faust und strahlt. Lara Gut-Behrami (32) gewinnt in Zauchensee (Ö) bereits ihr drittes Rennen der Saison. Dazu stand sie vier weitere Male auf dem Podest. In mehr als der Hälfte der Rennen, zu denen sie angetreten ist, schaffte es die Tessinerin in die Top 3. Da fragt man sich: Sehen wir gerade die beste Gut-Behrami aller Zeiten?
Nicole Schmidhofer (34) müsste es wissen. Die heutige ORF-Kamerafahrerin tingelte gleichzeitig durch den Ski-Zirkus. Vor sage und schreibe 17 Jahren standen Gut-Behrami und sie bei der Junioren-WM gemeinsam am Start. Beide galten als Riesentalente, beiden wurde eine rosige Zukunft vorausgesagt, beide holten später WM-Gold im Super-G. «Vergleichen kann ich mich mit Lara aber nicht. Als ich sie vor kurzem getroffen habe, wollte ich wissen, wie sie es geschafft hat, so erfolgreich zu sein», erzählt Schmidhofer. Und wie lautete Gut-Behramis Antwort? «Ich bin schon lange dabei!»
Für Schmidhofer ist klar: «Lara zählt zu den Grössten der Geschichte.» WM- und Olympiagold, Gesamtweltcupsieg und nun 40 Weltcup-Triumphe – das Ganze sei einfach «irre» und «Wahnsinn», sagt die Frau, die nach dem letzten Winter zurücktrat.
«Nicht mehr auf dem Höhepunkt»
Aber noch einmal zur Ausgangsfrage: Ist das die beste Gut-Behrami aller Zeiten? Statistisch gesehen wird es für Gut-Behrami schwierig werden, die Traum-Saison 2015/16 zu übertrumpfen. Damals feierte sie 13 Podestplätze (6 Siege, 4 zweite und 3 dritte Plätze) – am Ende gewann sie die grosse Kristallkugel. Marc Girardelli (60) gewann den Gesamtweltcup gar fünf Mal. Er meint: «Lara ist sicher nicht mehr auf dem Höhepunkt ihrer Leistungsfähigkeit.»
Warum er das meint, ist klar: Gut-Behrami ist auf der Zielgeraden ihrer Karriere und betont selbst, dass sie mehr Zeit für Regeneration brauche und nicht mehr die gleiche Energie habe wie als 20-Jährige. «Genau darum ist es so stark, dass Lara trotzdem noch gewinnt. Sie schafft es, den jungen Draufgängerinnen Paroli zu bieten. Das ist klasse, ich bin ein grosser Fan von ihr.»
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Fast noch mehr beeindruckt ist Girardelli von Gut-Behrami als Menschen: «Sie ist eine Persönlichkeit mit Ecken und Kanten. Ihr ist es egal, ob sie sympathisch rüberkommt oder nicht.» Sie habe ihre Meinung und würde zu ihr stehen. «Das ist Rückgrat. So etwas haben heute nicht mehr viele Athleten.»
Udine ist für Gut-Behrami eine Festung
Zurück zum Sport. Wir fragen Slalom-Altmeister Didier Plaschy (50): Sehen wir die beste Gut-Behrami aller Zeiten? «Sie fährt jedenfalls so stark wie noch nie bei verschiedenen Verhältnissen», meint er.
Früher habe man ihr angelastet, dass sie nur bei Sonnenschein ihre beste Leistung abrufen könne – vor allem in der Abfahrt. «Mittlerweile schafft sie es überall. Sie hat ein grösseres Repertoire und auch taktische Fähigkeiten wie nie zuvor.» Entscheidend dafür sei ihre immense Erfahrung, so Plaschy. «Lara hatte nach ihrem Kreuzbandriss vor sieben Jahren eine schwierige Phase. Da driftete sie viel zu oft. Sie wendet dieses Mittel immer noch an – aber nur, wenn es wirklich notwendig ist und ihr nützt.»
Auch die innere Ruhe, die Gut-Behrami ausstrahlt, fällt Plaschy auf. «Das rührt von ihrem Umfeld. Mit ihrem Ehemann lebt sie in Udine, also weit weg von daheim. Dort hat niemand etwas mit dem Skisport am Hut – sie kann sich frei bewegen, muss sich nicht rechtfertigen, niemand fragt etwas. Da ist sie komplett abgeschottet. Sie kann so das Leben perfekt zwischen Beruf und Familie trennen.»
Bald 46 Siege? Götschl sagt: Ja!
In der Weltcup-Bestenliste steht Gut-Behrami mit 40 Siegen auf Rang 7. Als Nächstes könnte sie Schwedens Ski-Heldin Anja Pärson (42 Siege) einholen, danach wartet Speed-Königin Renate Götschl (46 Siege). Die 48-jährige Österreicherin würde es Gut-Behrami von Herzen gönnen, sollte sie es schaffen. «Ich kenne Lara schon lange und weiss, dass sie auch unten durch musste. Jetzt passt alles: Umfeld, Material, Physis und Psyche. Es ist einfach schön, ihr zuzuschauen.»
Götschl geht nicht davon aus, dass Gut-Behrami die Ski bald an den Nagel hängen wird. «Lara ist gelassener geworden. Sie weiss, wie sie mit den Medien umgehen muss und meistert das ganze Drumherum. So kann sie hoffentlich noch lange ihr ganzes Können auf den Ski aufspielen.»
Gut-Behrami sei immer eine natürliche Person gewesen und habe sie früher auch um Rat gefragt, erklärt Götschl. «Ich bin nicht nur überzeugt, dass Lara auch bald 46 Siege auf dem Konto haben wird. Ich wünsche sogar, dass sie mich überholt – sie würde es verdienen.»